Üben für das große Rennen: Ferdinand Bruckmeir sitzt auf Ochse Zeno. Dessen Besitzer ist Sepp Großmann. Er trainiert Ferdi für den wilden Ritt beim Münsinger Ochsenrennen am Sonntag um 14 Uhr. © Sabine Hermsdorf-Hiss (2)
Die Arena der Münsinger Ochserer ist immer gut besucht, so wie hier beim letzten Rennen im Jahr 2016. © Hans Lippert
Im Galopp: Moritz Bruckmeir auf seinem Ochsen Beppo.
Mit Glück gewonnen: Sepp Großmann (rechts) als Sieger mit Pokal im Jahr 2000 auf seinem Gold-Ochsen Franzi. © Privat/sh
Münsing – Zeno wiegt 690 Kilogramm, hat rotbraunes Fell und dunkle Kulleraugen. Er ist ein gutmütiger Ochs, hat aber Kampfgeist. Das zumindest hoffen Ferdinand Bruckmeir und Sepp Großmann. Der 15-jährige Ferdinand führt Zeno aus seinem Stall und legt ihm den Bauchgurt an. Der hat zwei Ledergriffe – zum Festhalten. Denn Zeno ist ein Rennochse und Ferdinand sein Jockey.
„Der Zeno hat Potenzial“, sagt Sepp Großmann und streichelt seinen Ochsen. Der 55-Jährige trainiert Ferdinand, den Sohn seines besten Spezls, für den wilden Ritt beim Münsinger Ochsenrennen am Sonntag. Der Metzgermeister weiß genau, wovon er spricht. Im Jahr 2000 hat er selbst mal gewonnen. Auf Gold-Ochs Franzi. Acht Jahre zuvor hatten Großmann und ein paar Narrische das erste Rennen auf die Füße gestellt. „Da ham uns viele an Vogel gezeigt“, erzählt er und lacht.
Heute ist das Ochsenrennen in der Gemeinde am Starnberger See im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen in der ganzen Region bekannt. Beim letzten Mal 2016 kamen 10 000 Besucher, um die wilden Reiter und ihre Ochsen in der selbst gebauten Arena an der Holzhausener Straße anzufeuern und danach im Bierzelt mit ihnen zu feiern. Am Sonntag findet das Rennen nach acht Jahren Pause zum siebten Mal statt. Das große Zelt steht, genau wie die nummerierten Boxen für die Ochsen. Die Besucher können auf ihr Favoriten-Duo wetten und Preise gewinnen, darunter sind sogar Reisen.
„18 Ochserer sind angemeldet“, sagt Großmann. „Vor dem Rennen kommt der Amtsveterinär vorbei, begutachtet die Tiere und entscheidet, ob sie starten können oder nicht.“ Ganz unterschiedliche Rassen gehen an den Start: Pinzgauer, Fleckvieh, Braunvieh, ein Weißblauer Belgier und Murnau-Werdenfelser, so wie Zeno einer ist. Alle sind mindestens 30 Monate alt. Erst dann sollen die Rückenwirbel der Tiere ausreichend verknöchert sein. „Da beachten wird die Hinweise der Tierschützer, die vor jedem unserer Rennen demonstrieren. Aber so ein Ochs hat ja früher in der Landwirtschaft Gespanne gezogen. Den Ferdinand hält der Zeno locker aus.“
Gut 80 Kilogramm bringt der Jockey auf die Waage. „Als mich der Zeno beim ersten Mal abgeworfen hat, kam es mir so vor, als wäre das gar kein Gewicht für ihn“, erzählt der 15-Jährige. „Ich saß nicht mal fünf Sekunden droben.“ Mit einem geprellten Knöchel ging‘s zum Arzt, also für Ferdinand. Seit vier Wochen trainieren Bub und Ochs das Reiten. Am Vertrauen arbeiten sie schon viel länger. „Einen Ochsen muss man von klein auf an sich gewöhnen, dass er sich streicheln und führen lässt“, sagt Großmann. Wenn Führen am Halfter klappt, geht‘s spazieren. Irgendwann legt man dem Ochs mal den Bauchgurt um. Irgendwann schließt man ihn. Dann probiert man das Aufsitzen.
Ungefährlich ist das nicht, genau wie das Rennen, das das schnellste Jockey-Ochs-Duo gewinnt. „Wir hatten schon sämtliche Verletzungen: gebrochene Arme, Hände, Füße – bis hin zum Milzriss“, sagt Großmann. 2004, das Rennen nach seinem großen Sieg, war für ihn ein schwarzer Tag. Er fiel zweimal vom Ochs, renkte sich mehrere Wirbel aus. Aber: Für die größte Gaudi im Gau nehmen die Münsinger Ochserer das Risiko immer wieder auf sich. Heuer teils schon in der dritten Generation. Neben Zeno steht Ochse Beppo im Stall auf dem Rankhof – mit Bergblick. Ihn reitet Ferdinands Cousin Moritz Bruckmeir beim großen Rennen.
Ferdinand stammt aus einer Ochserer-Dynastie. Sein Vater Ferdinand Bruckmeir, ein Landwirt, ist beim ersten Rennen 1996 Seite an Seite mit Großmann geritten. Und in Münsing munkelt man sogar, er und sein Frau Barbara, Ferdinands Mama, hätten sich einst beim Ochsenrennen im benachbarten Haunshofen im Kreis Weilheim-Schongau kennengelernt. Sein Opa war dort ein Ochsenreiter. Um seinen Bub hat Bruckmeir senior deshalb keine Angst. „Der kann‘s gut mit den Viechern und hat einen gesunden Respekt.“
Vorm Fallen hat Ferdi Bruckmeir gar nicht so viel Angst. Mehr vor der Blamage, die Madln aus der Schule schauen am Sonntag ja auch zu. „Schlecht wär‘s, wenn Zeno am Start zu grasen anfängt und sich gar nicht bewegt. Noch schlimmer wär‘s aber, wenn wir loslaufen und er plötzlich umdreht. Dann krieg ich ihn nie wieder in die richtige Richtung.“ Das mit dem sturen Ochsen stimmt also, manchmal.
Idealerweise aber flitzt Zeno einfach los – ohne Zappeln, ohne Buckeln. Ein paar offizielle Regeln gibt‘s: Gerten sind verboten und der Reiter muss beim Zieleinlauf sitzen. Sonst lautet der Tipp vom Großmeister Großmann an seinen Jockey: „Gut festhalten und a bisserl Glück mitbringen.“ Und wer weiß, vielleicht wird Zeno ja auch zum Gold-Ochsen.