Siegi Martinus führt heute einen Friseursalon in Olpe.
Eine unvergessliche Reise: Martinus‘ Jugendliebe Helga im Käfer an der westlichen Uferstraße des Gardasees. Er hatte die Roststellen des Cabrios mit Zierstreifen überklebt. © Privat (2)
Herrsching – Die erste große Liebe in Siegi Martinus‘ Leben hieß Helga. 1974 fährt der gebürtige Herrschinger mit ihr in einem feuerroten VW-Käfer-Cabrio an den Gardasee – über die malerische Gardesana Occidentale. „Diese westliche Uferstraße gehört immer noch zu den Traumstraßen Europas“, sagt der heute 69-Jährige. „Sogar der James-Bond-Film ‚Ein Quantum Trost‘ wurde hier gedreht, bei den Dreharbeiten hat es ein paar Aston Martins zerlegt.“ 1974 war Martinus Friseurlehrling in Weilheim, im zweiten Lehrjahr, 19 Jahre jung und voller Fernweh nach dem Dolce Vita. „Ich habe nicht viel verdient“, sagt er. „Ich hatte kein Geld, aber ein Cabrio!“
Obwohl diese Italienreise im offenen Auto ein halbes Jahrhundert her ist, kann sich Martinus noch sehr gut an die Fahrt hinunter zum See erinnern. „Vom Brenner fuhren wir nach Rovereto und nahmen die Abfahrt Lago di Garda Nord. Da geht es in einer Kurve zum See hinunter“, schwärmt der Friseurmeister. „Das Gefühl, das mich bei diesem Anblick überkam, war total erhaben.“ Das Reisen mit wenig PS war zwar wenig komfortabel, aber ruhiger. „Man konnte entspannt fahren. Heute kommt alle paar Meter ein Kreisverkehr.“
Das Ziel des jungen Paares: der kleine Ort Colombare di Sirmione am südlichen Ende des Sees. „Dort übernachteten wir bei einer Frau in einer Privatpension“, sagt Martinus. „Für vielleicht 15 Mark am Tag – mit Frühstück!“ Die Zeit verging wie im Flug, Martinus und Helga brausten mal um den See, tranken Cappuccino am Ufer, übten das süße Nichtstun. „Wir hatten nur vier oder fünf Tage Urlaub, mehr konnten wir uns auch gar nicht leisten.“ Aber von seiner damaligen Heimat Weilheim aus lohnte sich auch ein Kurztrip.
Seit 42 Jahren führt der Bayer im nordrhein-westfälischen Olpe einen eigenen Friseursalon. Er bleibt dem Süden dennoch treu: Drei- bis viermal pro Jahr besucht er seine alte Heimatstadt. Und wenn das Wetter dort schlecht ist, zieht er weiter an den Gardasee. Besonders im März und Oktober nimmt er gern eine Auszeit am größten See Italiens, da ist weniger los. „Mit meiner jetzigen Frau habe ich dasselbe Foto im Jahr 1995 noch mal gemacht“, verrät er. „Diesmal allerdings mit einem BMW Cabrio!“ Leider ist das Bild verschollen.
„Ich muss mich nicht zwanzig Stunden in einen Flieger setzen und in die Karibik düsen“, sagt Martinus. Stattdessen lehnt er auf einem Stuhl in einem kleinen Café irgendwo am See. Inzwischen mietet er sich am liebsten in Bardolino am Ostufer ein und verfolgt verzaubert das bunte Treiben. Die Beziehung zu Helga ist längst Geschichte. Sie lebt in Herrsching, doch Martinus hat keinen Kontakt mehr. „Die Bundeswehr brachte uns auseinander“, sagt er. Und das feuerrote Cabrio? „In Detmold hat mir jemand die Vorfahrt genommen und es kaputtgefahren.“ Aber seine Erinnerungen sind am Leben geblieben.
Von Bardolino aus geht Martinus manchmal zu Fuß mit seiner Frau nach Torri del Benaco, zehn Kilometer am Wasser entlang. Die Sonnenuntergänge gehören zu den schönsten Ausblicken, die er kennt. „Ich bin ein kleiner Romantiker“, gibt er zu. In jedem Urlaub am Gardasee kauft er seiner Frau ein Erinnerungsstück. „Der Juwelier kennt uns inzwischen sehr gut!“ Auch diese Liebe zu Souvenirs hat Tradition: 1974 ersteht Martinus in einem Laden für Helga ein schmales Goldkettchen – als Andenken an den Urlaub seines Lebens.
TINA SCHNEIDER-RADING