Eine Familie radelt über die Alpen

von Redaktion

Kaufbeuren – Wo die Alpen sind, wusste der kleine Leo. Aber nicht, wie hoch sie sind. Woher auch? Schließlich gibt es kein einziges Kinderbuch darüber, wie ein Fünfjähriger mit seinem Fahrrad von Bayern an den Gardasee strampelt. Leo hat genau das geschafft. Seine Eltern Franzi und Marius Schatz haben ein kleines Abenteuer mit ihren beiden kleinen Kindern gewagt: 340 Kilometer, 2400 Höhenmeter per Rad mit zwei kleinen Kindern. Den Fern- und den Reschenpass haben sie mit Bus und Bahn bewältigt – den Rest mit purer Muskelkraft.

Es gab einige, die vorher an diesem Plan gezweifelt haben. „Überfordert ihr eure Kinder nicht?“, fragten sie. Doch das Paar aus Kaufbeuren im Ostallgäu war überzeugt, dass ihr Fünfjähriger das schafft. Schließlich hatten ihm schon vorher lange Radtouren immer Spaß gemacht. Mit an Bord war außerdem der dreijährige Casper. Der musste allerdings noch nicht selbst treten, sondern konnte das Abenteuer gemütlich aus dem Fahrradanhänger heraus genießen. Außerdem sorgten die beiden Eltern dafür, dass ihre Kinder unterwegs Spaß haben. Sie hatten genügend Zeit für Pausen und Spielplätze eingeplant und sangen unterwegs Kinderlieder mit ihnen.

Die Familie liebt kleine Abenteuer in der Natur. Franzi und Marius Schatz verkaufen dafür die richtige Ausrüstung. Deshalb wussten sie auch gut, was sie für diese besondere Fahrradtour brauchen würden. Bei der Frage, welche Route sie nehmen, mussten sie länger überlegen. Über das Timmelsjoch? Zu schwierig! Über die alte Brennerstraße? Auch keine Option. Die Route über die Via Claudia Augusta ist der einfachste Weg. Genau diese Strecke hatten die alten Römer schon vor mehr als 2000 Jahren genutzt.

Fest stand für die Familie, dass sie nicht in Hotels und Pensionen übernachten möchte. Also packte Marius Schatz an sein Rad und an das seiner Frau jeweils 45 Kilo Gepäck: Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Gaskocher. Und dann ging es Mitte August los. Mit Regen. Deshalb fuhren sie das erste Stück bis nach Füssen mit dem Zug. Schon da wurden die Augen ihrer beiden Söhne riesengroß, als sie die Schlösser und Burgen sahen. Die Radtour begann dann am Lech, kurz vor der österreichischen Grenze. Und schon kam die erste Prüfung für den kleinen Leo: ein erster steiler Anstieg über 150 Höhenmeter. Um ihren Fünfjährigen zu unterstützen, spannten die beiden ein Abschleppseil von Leos an Franzis Fahrrad, so konnte sie ihm helfen, den Berg hochzutreten. Und das Tolle an jedem Berg ist ja, dass es auf der anderen Seite wieder runter geht, sagt Marius Schatz. Am Heiterwanger See wurden die Kinder nach dem ersten 20-Kilometer-Tag mit einem Spielplatz vor traumhafter Bergkulisse belohnt.

Am Morgen nach der ersten Zeltübernachtung gab es Porridge mit Obst zum Frühstück. Danach fühlten sich alle gestärkt für den Fernpass. Natürlich erst, nachdem die beiden Jungs kiloweise Beeren gepflückt und Schnecken von der Straße gerettet hatten. Dass sie statt der geplanten zwei eher vier Stunden für die Strecke brauchten, störte niemanden von ihnen.

Auf ihrer Tour gab es viele Highlights für die Kinder: Abends Pizza im Zelt, ein Trampolin-Park, Badepausen in wunderschönen Seen – und vor allem jede Menge Zeit als Familie. Immer wieder fuhren sie eine Etappe mit dem Bus weiter, wenn die Strecke zu steil wurde oder das Wetter zu schlecht. Bis sie dann tatsächlich am italienischen Grenzposten vorbeiradelten. Die beiden Jungs staunten nicht schlecht, als sie am Reschensee die Kirchturmspitze sahen, die aus dem Wasser ragt.

Der letzte Abschnitt der Strecke wurde noch mal besonders schön. Die Familie radelte durch kleine Dörfer, vorbei an vielen Apfelfeldern. Von Bozen ging es entlang an der Etsch. Ziel der Familie ist der südliche Zipfel des Gardasees. Also legten sie noch mal 77 Kilometer per Zug zurück, um Kraft zu sparen. Denn danach begann die letzte Etappe: Und die begann mit einem Platten an Leos Rad. Marius Schatz hatte ihn schnell geflickt. Knapp eine Stunde später erreichten sie Lazise – nach zehn Tagen. Die Eltern sind stolz auf ihren Fünfjährigen. Und natürlich auch auf Casper, der ein toller Beifahrer war. Im nächsten Jahr will er auch selbst fahren, kündigte er bereits an.

„Es war ein unvergessliches Abenteuer“, sagen Franzi und Marius Schatz rückblickend. Die Kinder hätten nicht nur viel über die Natur gelernt, sondern auch Selbstvertrauen bekommen. „Es war aber auch deswegen besonders schön, weil wir das alles als Familie, als Team geschafft haben.“

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