Erste Klinik testet Vier-Tage-Woche

von Redaktion

Im Dienstplan muss Pflegedienstleiterin Corina Klumpp (Mitte) künftig nur noch zwei Schichten planen. © Michaela Stache

München – Marlen Wilhelm hat künftig einen freien Tag mehr pro Woche. Ohne auf Gehalt zu verzichten. Und ohne weniger zu arbeiten. Die 46-Jährige arbeitet als Krankenschwester in der Schön Klinik in Harlaching. Dort hat vor wenigen Tagen ein Pilotprojekt begonnen. Auf einer Station arbeiten die Pflegenden nur noch vier Tage pro Woche, drei Tage haben sie frei. Dafür arbeiten sie künftig nicht mehr wie bisher acht Stunden pro Tag – sondern acht bis zwölf, um auch an vier Tagen auf ihre 40 Stunden zu kommen. „Dieser Modellversuch ist auf Wunsch der Pflegekräfte zustande gekommen“, berichtet die Pflegedienstleiterin Corina Klumpp. Viele von ihnen hatten zuvor in Ländern wie Österreich oder Italien gearbeitet, wo die Vier-Tage-Woche in den Krankenhäusern längst Alltag ist.

Auch Marlen Wilhelm hat in ihrer früheren Stelle in Österreich damit bereits Erfahrungen gesammelt. „Ich habe es geliebt, so viel Freizeit zu haben“, berichtet sie. Die Zwölf-Stunden-Tage hat sie nicht als hart empfunden, betont sie. „Letztlich hatten wir mehr Zeit für dieselbe Arbeit.“ Die Kliniken arbeiten mit diesem Modell nicht mehr mit drei Schichten, sondern nur noch mit zwei: Tag und Nacht. „Es fällt also auch eine Übergabe weg – und damit eine mögliche Fehlerquelle“, erklärt die Pflegedienstleiterin.

Für viele Pflegekräfte hat die Vier-Tage-Woche Vorteile, sagt Wilhelm. Zum Beispiel für alle, die nach München pendeln. Sie sparen nicht nur Zeit, sondern auch Geld durch das neue Modell. Und gerade für Eltern kleiner Kinder könnte es Betreuungsprobleme lösen, glaubt die 46-Jährige. „Ich hätte mir diese Möglichkeit gewünscht, als meine Kinder noch kleiner waren.“

Ganz so leicht, wie es im ersten Moment klingt, ist es nicht, eine Vier-Tage-Woche einzuführen. Dafür war eine Sondergenehmigung des Münchner Gewerbeaufsichtsamtes und die Zustimmung des Betriebsrats nötig, berichtet Klumpp. Andere europäische Länder haben in ihrem Arbeitszeitgesetz bereits eine Ausnahmegenehmigung für Krankenhäuser enthalten – deshalb ist die Vier-Tage-Woche dort bereits etabliert. Für die Sondergenehmigung, die die Schön Klinik bekommen hat, muss sie einige Voraussetzungen erfüllen. Die Wichtigste: Die Vier-Tage-Woche muss freiwillig sein. Auf der orthopädisch-unfallchirurgischen Station, die nun damit beginnt, arbeiten insgesamt 20 Pflegekräfte. 15 haben sich dazu entschieden, auf vier Tage umzustellen, die anderen arbeiten weiter wie bisher. „Je konkreter das Projekt geworden ist, desto größer wurde das Interesse“, berichtet Klumpp. Auch auf anderen Stationen. Wie es nach dem 15. Januar weitergeht, ist allerdings noch offen. Auch Bayerns Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU) hat bereits ihr Interesse an dem Pilotprojekt bekundet, berichtet Klumpp. „Sie möchte informiert werden, wie es läuft.“ Sollte Bayern allen Kliniken die Möglichkeit dafür geben, müsste das Arbeitszeitschutzgesetz auch durch einen entsprechenden Zusatz ergänzt werden. Sonst ist in jedem Fall eine Sondergenehmigung nötig.

Und dafür müssen Betriebsmediziner das Projekt begleiten, um die Auswirkungen der Zwölf-Stunden-Schichten auf die Pflegekräfte zu evaluieren. Ihre Aufgabe ist es auch, zu prüfen, dass niemand durch die längeren Schichten überlastet wird. Gegen Ende des Jahres soll es außerdem Befragungen geben. Klumpp geht davon aus, dass das Modell vor allem für die jüngeren Pflegekräfte attraktiv ist. Für ältere könnten die langen Schichten zu anstrengend sein, vermutet sie. Gerade Müttern biete der Mix aus acht bis zwölf Stunden aber mehr Flexibilität – und damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Individuelle Arbeitszeiten sind heute die meistgefragten Benefits“, sagt der Klinik-Geschäftsführer Tim Egger. Auch der Ärztliche Direktor Markus Walther erhofft sich, dass die Klinik das Modell langfristig anbieten kann. „Unser Ziel ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen.“

Hinter Marlen Wilhelm und ihren Kollegen liegen erst ein paar Zwölf-Stunden-Tage. Bisher hat Pflegedienstleiterin Corina Klumpp nur positive Rückmeldungen bekommen, sagt sie. Auch sie will bald eine Zwölf-Stunden-Schicht mitmachen, um zu testen, wie hoch die Belastung ist. Einen Satz hat sie von ihren Kollegen aber mehrfach gehört: „Die zusätzlichen vier Stunden sind schnell vergangen.“

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