Vorfreude: Pilzberater Andreas Herbrecht hält einen Fransigen Wulstling, einen hervorragenden Speisepilz, in der Hand.
Pures Steinpilz-Glück: Der Starnberger Armin Gibis hat bei seiner Wanderung zum Nieder- und Hohenbleick im Kreis Garmisch-Partenkirchen ein ganzes Nest der begehrten Schwammerl entdeckt. © Privat (2)
Unterammergau – Armin Gibis stand plötzlich mitten im Glück. Um ihn herum hat es vor Steinpilzen nur so gewimmelt. „Ich habe meinen Rucksack befüllt, alle hätte ich aber nie mitnehmen können“, erzählt der 66-jährige ehemalige Sportchef unserer Zeitung. „In solchen Momenten bekommt man echt Glücksgefühle. Wenn die Steinpilze vor einem stehen, grad aus der Erde gewachsen, nicht angefressen, einfach perfekt. Da würde ich fast sagen, dass mir Suchen mehr Spaß als Essen macht.“
Der große Pilz-Coup ist Gibis am Mittwoch gelungen. In einem Bergwald zwischen Unterammergau und Saulgrub im Kreis Garmisch-Partenkirchen. „Ich wollte das Suchen mit einer Wanderung verbinden“, sagt er. Als er am Nieder- und Hohenbleick schon so einige Wanderer mit Sackerl rumlaufen sah, wusste er, dass er schnell sein muss. „Etwas weiter oben bin ich meinem Instinkt gefolgt und einen Forstweg entlanggegangen, den nicht so viele Wanderer nutzen.“ Im Waldstück daneben wartete dann das große Glück darauf, gebrockt zu werden.
Zuletzt hatten sich viele Arten noch geziert, es war zu heiß. „Im Münchner Umland war es ruhig“, erzählt Andreas Herbrecht aus Forstern im Kreis Erding. „Nur eines war schnell klar: Es ist ein Pfifferling-Jahr.“ Der 63-Jährige ist Pilzberater der Gesellschaft für Mykologischen Gesellschaft und sonst als Taxi-Fahrer in der ganzen Region unterwegs. Pfifferlinge hat er heuer schon vom Steuer aus auf Grünstreifen neben der Straße stehen sehen – und natürlich geerntet. Seit gut eineinhalb Wochen aber nimmt die Saison Fahrt auf. „Netzstielige Hexenröhrlinge findet man jetzt – und die Regenfälle der vergangenen beiden Nächte machen Hoffnung auf mehr.“
Bis zu 18 Arten Pfifferlinge soll es geben. „Während der Echte Pfifferling gern im Moos im Nadelwald wächst, bevorzugt der Violettschuppige Pfifferling Laubbäume“, sagt Herbrecht. „Also kann man auch in Parks rund um alte Buchen, Eichen und Linden fündig werden.“ Auch der Steinpilz wartet mit mehreren Arten auf. Der Sommersteinpilz wächst früh im Jahr, gerne in der Nähe von Laubbäumen. Arten wie der Fichten- oder Kiefernsteinpilz im Nadelwald, mit Vorliebe im Gebirge. Sein Myzel reicht tief in die Erde, auf Regen reagiert er langsam. Arten wie der Knoblauchschwindling sprießen bei Nässe sofort. „Getrocknet kostet der Speisepilz bis zu 6000 Euro das Kilo.“
Nur: Ein Blick ins Internet reicht für Laien nicht aus, um solche Funde zu identifizieren. „Im Zweifel sollte man immer bei Sachverständigen nachfragen“, warnt Herbrecht. Gartenfilzröhrlinge etwa würden oft für Steinpilze gehalten – und sind zum Glück selbst Speisepilze. Bei giftigen Arten, die essbaren verdammt ähnlich sehen, ist aber Vorsicht geboten. Der Knollenblätterpilz gleicht fatalerweise dem Champignon. Und auch der Klimawandel ändert einiges. Manch altgediente Regel zur Pilz-Erkennung ist bald keinen Pfifferling mehr wert. Vor allem in der Familie der Champignons.
„Durch den Klimawandel wandern neue Arten ein“, sagt Dennis Regul. Der Mediziner arbeitete als Toxikologe an der Uniklinik Freiburg und macht derzeit einen Facharzt in Neu-Ulm, wo er auch Pilzberatungen anbietet. Die Regel „Rötende Champignons sind essbar“ sei ungültig. Inzwischen wurde hierzulande schon eine giftige rötende Art aus dem Mittelmeerraum nachgewiesen. Auch, dass giftige Champignons tintenartig oder nach Medizinschrank riechen, sei nicht mehr haltbar. „Der Falsche Wiesenegerling ist giftig, riecht aber nicht zuverlässig nach Medizinschrank“, sagt Regul. Den extrem wärmeliebenden Pilz habe man früher nur in Ausnahmefällen zu sehen bekommen. „Aber mit den steigenden Temperaturen wird er häufiger“, so Regul. Auch der Parfümierte Trichterling, der schmerzhafte Schwellungen verursacht, wird sich bald auch in Deutschland breitmachen. Er sieht dem essbaren Fuchsigen Rötelritterling ähnlich.
Auch in den Wäldern um München hat Pilz-Experte Andreas Herbrecht schon wärmeliebende Neulinge entdeckt, die er als kleiner Bub nie gesehen hatte. Etwa den Fransigen Wulstling. „Er stammt aus der Gattung Amanita, in der es von sehr giftigen Pilzen, wie etwa dem Knollenblätterpilz, nur so wimmelt“, sagt er. „Aber er ist ein phänomenaler Speisepilz, nie madig und mit bis zu 25 Zentimetern Durchmesser echt groß.“ Als Herbrecht ihn zum ersten Mal in der Hand hielt, war es ein besonderer Moment. So schaut pures Glück in der Welt der Schwammerl-Jäger aus.