Schulterschluss: Verena Kunze und Daniel Kreuzpaintner von der Kulturbrauerei mit den Musikern Fabian Frischmann und Michael Huber sowie Florian Sochatzy und Sebastian Deubelli, dem Anwalt von Dicht & Ergreifend (v.l.). © Armin Weigel/dpa
Mengkofen – Hip-Hop auf Niederbairisch ist das Markenzeichen der Band Dicht & Ergreifend. Ihr Hit „Wandadoog“ („Wandertag“) wird online millionenfach geklickt. Das Video dazu hat sie in Tunzenberg gedreht, einem idyllischen Dorf in der Nähe von Dingolfing. Der Kulturverein des Ortes ist für die Band ein kreativer Fixpunkt – und nach der Kündigung des Vermieters jetzt obdachlos. „Kulturfraß auf dem Land“, kritisieren die Musiker.
Zehn Jahre lang war der Verein Kulturbrauerei in der ehemaligen Schlossbrauerei angesiedelt. Lef Dutti (Fabian Frischmann) und George Urkwell (Michael Huber) von Dicht & Ergreifend sind selbst Mitglieder. Ein Gemüse-Unternehmer aus der Region hatte Schloss Tunzenberg samt Park und Brauereigebäude gekauft und dem Verein zum vergangenen Sonntag gekündigt.
Ein herber Schlag für die Musik-Szene im Ort. Die Kulturbrauerei sei ein Zufluchtsort gewesen, ein kultureller Freiraum, ein Platz mit Probenräumen für Bands, mit einer Kreativwerkstatt und mit einem Festplatz für Lagerfeuer, Konzerte und Festivals. „Ein magischer Ort“ eben, sagt Gründungsmitglied Daniel Kreuzpaintner. Zehn Jahre lang hätten sie das Gebäude hergerichtet, die Räume ausgebaut und containerweise Schrott entsorgt. „Da steckt viel Arbeit drin und viel Emotion“, sagt auch Huber. Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer scheiterten – weshalb, sieht jede Seite anders. Der Verein sagt, er habe das Gespräch mit dem Unternehmer gesucht, um zu bleiben. Dessen Anwalt teilt mit, man habe Alternativen angeboten. Jene Angebote wären aber nicht hinnehmbar gewesen, so der Verein. Der kulturelle und kreative Freiraum wäre verloren.
Im Juli katapultierten Dicht & Ergreifend das Thema in die Öffentlichkeit: Bei einem Open-Air-Auftritt in Dingolfing verlas Huber das „Kulturfraß-Statement“. Die Kulturbrauerei sei eine offene Begegnungsstätte für das Dorf und nun zerstört. Auf Leinwand wurden Zitate des neuen Eigentümers gezeigt, „Drecks-Kulturbrauerei“ zum Beispiel. Dieser sah sich diffamiert und strebte eine einstweilige Verfügung an. Vergangene Woche hätten er und die Musiker Huber und Frischmann sich vor dem Landgericht Landshut treffen sollen. Ein Video vom Auftritt in Dingolfing sollte aus dem Internet gelöscht werden. Doch dann zog der Unternehmer seinen Antrag zurück mit der Begründung, der Band keine Bühne mehr bieten zu wollen.
Die „Dichtis“ starteten eine Spendenaktion. Daraus sollen eventuelle Anwaltskosten bezahlt werden. Der Rest soll der Kulturbrauerei und anderen Projekten zugutekommen. Zudem soll es einen weiteren Verein namens Kulturensöhne und Töchter geben. Florian Sochatzy ist schon Mitglied. Ziel sei es, das Thema fehlender kultureller Freiräume anzusprechen, sagt er. Im Austausch mit der Politik. Ländliche Förderung bedeute auch, kreative Räume zu schaffen.
Kultur auf dem Land habe es immer schwerer. Dabei sei sie so wichtig, um das Landleben für die Menschen interessant zu machen, sagt Kreuzpaintner von der Kulturbrauerei, die nun eine neue Bleibe sucht. Alternativ würde er dem Unternehmer das Brauereigebäude samt Festwiese auch zum marktüblichen Preis abkaufen, damit die Kulturbrauerei Tunzenberg und mit ihr das kreative Schaffen wieder aufleben können. Und auch Dicht & Ergreifend finden Kultur in Bayern müsse mehr sein als „Besäufnis-Rituale in weiß-blau gestreiften Ersatzkirchen“.