DER URLAUB MEINES LEBENS

Per Rad durch den Dschungel

von Redaktion

Helga Jobst liebt Abenteuer

Vollbepackt: Helga Jobst mit ihrem Fahrrad.

Ein unvergessliches Abenteuer: 1955 fuhr Helga Jobst mit einem Bekannten auf dem Fahrrad durch den Dschungel von Madagaskar. © privat (3)

Weilheim – Helga Jobst ist viel gereist: 1968 ist sie für vier Jahre mit dem Bus nach Indien gefahren, 1998 war sie mit ihrer Schwester auf dem Jakobsweg. Die 81-Jährige aus Weilheim war auf fünf Kontinenten unterwegs. Doch ein Urlaub ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: Mit 55 Jahren hat Helga Jobst den madagassischen Dschungel durchquert – und das auf dem Fahrrad.

„Ich hatte einen Bekannten, der auf Madagaskar Fahrradtouren für Touristen angeboten hat“, erzählt Jobst. Vier Wochen Madagaskar auf dem Fahrrad erkunden – klingt für sie damals genau richtig. Kurzerhand packt sie ihre Sachen und steigt in den Flieger. Zwei Wochen schlägt sich Jobst zusammen mit ihrem Bekannten durch den Dschungel. „Das war einer meiner schwersten Urlaube.“ Wortwörtlich: Sie hat so viel Gepäck dabei, dass sie sogar beim Bergabfahren absteigen muss. „Die Straßen waren furchtbar, mir wäre alles heruntergefallen“, sagt Jobst. Aber die Dschungel-Durchquerung lohnt sich: Fast jeden Abend sieht Helga Jobst die madagassischen Lemuren.

Bei der Fahrt durchqueren die beiden viele Dörfer, in denen sie jedes Mal freundlich empfangen werden. Die Kinder rennen aufgeregt umher und sorgen dafür, dass alle Dorfbewohner von der Ankunft der Reisenden erfahren. Ihre Zelte brauchen Jobst und ihr Begleiter kaum: „Wir wurden fast immer eingeladen.“ Einmal übernachten die beiden sogar beim Bürgermeister. „In manchen Dörfern waren wir wohl die ersten weißen Menschen.“

Über die Einheimischen sagt Helga Jobst: „Sie hatten nichts und hätten mir trotzdem das letzte Hemd gegeben – und ich war immer willkommen.“ Von ihnen lernt sie, auch für die kleinen Dingen dankbar zu sein und ohne große Erwartungen durchs Leben zu gehen. Trotzdem verlässt sie die Dörfer immer ein wenig bedrückt: „Die Augen der Kinder waren so traurig.“ Die restlichen zwei Wochen verbringt Helga Jobst allein. Unterkunft findet sie auf der kleinen Insel Sainte Marie. Am Landeplatz müssen erst die Hühner vertrieben werden, bevor das Flugzeug landen kann.

Die Gastfreundschaft, die Tiere und die Bäume machen Madagaskar zum Urlaub ihres Lebens. Aber am liebsten erinnert sie sich an die Kinder: „In anderen Ländern wurde ich mit Steinen beworfen, auf Madagaskar waren die Kinder freundlich und interessiert“, erzählt Jobst. Obwohl es der Urlaub ihres Lebens war, ist Helga Jobst nie zurückgekehrt. Stattdessen hat sie viele weitere Länder bereist: „Es gab immer noch so viel anderes zu sehen.“ Mit 70 Jahren trat Helga Jobst ihre letzte Reise an – diesmal nicht auf dem Rad, sondern in der transsibirischen Eisenbahn.

Fahrrad- und reisebegeistert ist die heute 81-Jährige immer noch. Leider ist sie seit einer OP eingeschränkt. Ein wenig traurig macht sie das schon. „Aber ich bin dankbar für alles, was ich schon erlebt habe.“
HANNAH JUNG

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