Als Kind durfte ich regelmäßig einkaufen. Vor allem in den Jahren, in denen ich als Fahrschülerin aus meinem Heimatort Oberaudorf sechs, jawohl sechs Tage in der Woche per Bahn nach Rosenheim ins 30 Kilometer entfernte Gymnasium töftelte. Meine Mutter, eine notgedrungen sehr sparsame Hausfrau, gab mir den Einkaufszettel mit. Darauf stand, was ich preisgünstig an Lebensmitteln und von wem besorgen sollte, und was sonst noch gebraucht wurde. Zwischen Schulschluss und Zugabfahrt war Zeit dafür.
Die Aufgabe empfand ich weniger lästig als ehrenvoll. Immerhin vertraute mir die Frau Mama damit einen Teil ihrer Haushaltsführung an, auch wenn sie haarklein alle erforderlichen Produkte samt dem bestenfalls akzeptierten Preis notierte. Viel Spielraum für eigene Entscheidungen gab es für mich nicht. Ich konnte nur punkten, wenn ich weniger Geld ausgab, als sie für die Einkäufe veranschlagt hatte. Folglich versuchte ich mit sportlichem Ehrgeiz, mehr Geld wieder heimzubringen, als sie erwartete.
Als viele Jahre später einer der dümmsten Werbesprüche laut wurde, den es je gab – „Geiz ist geil“ –, habe ich mich an zu Hause erinnert. In der Gewissheit, dass es um Mangel an Großzügigkeit bei uns ganz gewiss nicht ging. Denn bei allem gestrengen Sparen gab es eine weitere Verhaltensregel. „Wir sind viel zu arm, um uns etwas Billiges zu leisten“, meinte meine Mutter. Was wir kauften, musste qualitativ vor ihren Augen bestehen und langlebig sein, eine ordentliche Garantie haben und notfalls repariert werden können.
Ich habe gelernt, den wahren Wert der Dinge zu schätzen. Und zu begreifen: Ruinöse Dumpingpreise und miese Produktionsbedingungen in Herstellungsländern schaden kleinen und mittelständischen Unternehmen oder Arbeitenden in fernen Ländern. Obendrein mir selbst. Was billig und unter Missachtung der Menschenwürde auf den Markt geworfen wird, besitzt meist wenig Qualität und hat geringe Lebensdauer. Es muss entsorgt und Ersatz beschafft werden. Das geht dann wirklich richtig ins Geld.
Meine Mutter hat mir „vererbt“, auf die Balance zwischen Preiskontrolle und wertorientiertem Einkauf zu achten. Und wenn etwas mehr kostet, als man es gerne hätte, daraufhin zu sparen und zu warten, bis man es sich leisten kann. Und der Papa? Der hatte die Nonchalance, trotz des Stirnrunzelns der Mama am Samstag ungefragt Semmeln zu holen, uns gelegentlich am Sonntag zum Mittagessen auszuführen und mir im Urlaub Pommes mit Mayo zu spendieren. Superkombi, die beiden. Gut zum Leben.