Gefangen im Neuschnee

von Redaktion

Nach heftigen Schneefällen in den Alpen herrscht dort akute Lawinengefahr, es gibt bereits drei Todesopfer. Die Polizei verhinderte jetzt, dass zehn Touristen die Hochrisikozone durchqueren. Und auf einigen Hütten in Oberbayern sitzen Wanderer seit Tagen fest.

Am Hochkeil im Salzburger Land läuft schon der erste Lift.

Der Polizeihubschrauber landet an der Lamsenjochhütte. Dort waren mehrere Lawinen abgegangen. © ZOOM-TIROL

Mit Glühwein gegen den Hüttenkoller: Wanderer und Mitarbeiter der Tölzer Hütte lassen es sich trotz Schneechaos gut gehen. Links hinten Hüttenwirt Benno Schödel. © Thomas Lindenbacher

München – Der außerordentlich frühe und heftige Wintereinbruch in den Bergen hat viele Touristen und Hüttenbetreiber am Wochenende überrascht. Der Spätsommer und der Frühherbst gelten eigentlich als die beste Jahreszeit für Bergwanderer, da ist es üblicherweise ruhig und sonnig auf den Gipfeln. Doch dieses Jahr ist alles anders. Bis zu einem Meter Schnee fiel ab 800 Meter Höhe, der Wind wehte ihn zu Wechten zusammen, die schnell zwei oder drei Meter hoch sein können. Die Folge: akute Lawinengefahr. Von Bergtouren war deutlich abgeraten worden.

Doch am Samstag wurde im Tiroler Karwendel nahe der Grenze zu Bayern eine 27-köpfige Wandergruppe beim Abstieg von der Binsalm (1500 Meter) in die Eng nahe der Talsohle auf 1200 Meter von einer Lawine überrascht. Ein etwa 70 Jahre alter Mann wurde verschüttet. Eine erste Absuche war ergebnislos, schließlich musste die Suche wegen der Gefahr weiterer Lawinen abgebrochen werden. Auch am Sonntag und am Montag war es zu gefährlich, um nach dem Mann aus Coburg (Oberfranken) zu suchen. Die Überlebenschance liegt mittlerweile bei null, die Polizei geht davon aus, dass er tot ist.

Am Sonntag musste dann der Hubschrauber der Tiroler Polizei aufsteigen, um zehn Bergwanderer aus der gleichen Region ins Tal zu fliegen. Darunter waren drei Niederländer und drei Deutsche, die bei ihrem Wochenendtrip auf der Lamsenjochhütte (1953 Meter) eingeschneit wurden. Diese liegt etwa drei Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Lamsenjochkamms. Auch dort türmten sich die Schneemassen. „Sie hatten schon zwei Tage bei uns übernachtet und wollten absteigen, da sie ja nach Hause mussten“, berichtet die Pächterin der Hütte unserer Zeitung. „Sie wollten wieder absteigen, ich habe ihnen aber dringend geraten, das nicht zu tun.“ Denn es herrscht nach wie vor enorme Lawinengefahr. „Da die Wanderer jedoch darauf bestanden, zurück ins Tal zu wollen, wurde die Bergrettung Schwaz alarmiert“, berichtet die Tiroler Polizei. Für die Rettungskräfte sei der Aufstieg zur Lamsenjochhütte aufgrund der Lawinensituation aber nicht infrage gekommen.

Es gibt auch Wanderer, die auf dem Berg ausharren müssen. Auf der Tölzer Hütte des Alpenvereins unterhalb des Schafreuter-Gipfels bei Hinterriß (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) stecken derzeit zehn Wanderer fest. Laut Hüttenwirtin Andrea Held sind fünf Bergsteiger aus dem Altmühltal, drei aus Wiesbaden und zwei aus München am Donnerstag und Freitag zur 1825 Meter hoch gelegenen Unterkunftshütte im Vorkarwendel aufgestiegen. Dort wurden sie von den massiven Schneefällen in der Nacht auf Samstag überrascht. Seither sind sie quasi von der Außenwelt abgeschnitten. Einen Abstiegsversuch am Sonntag ins Tal brach die Gruppe bereits nach den ersten 50 Metern wieder ab.

Mittlerweile liegen an der Hütte rund 120 Zentimeter Neuschnee. „Alle unsere Gäste sind bei bester Laune und lassen es sich bei uns gut gehen“, berichtet die Hüttenwirtin. „Es gibt bei uns genug zu essen und zu trinken, wir haben Strom und Wasser und es ist warm“, versichert sie. Dass die zehn Wanderer in absehbarer Zeit absteigen können, sei völlig ausgeschlossen. Hüttenwirt Benno Schödel: „Falls das Wetter besser wird, sollen sie am morgigen Dienstag ausgeflogen werden.“

Es sind noch weitere Hütten eingeschneit. Der fünf Kilometer lange Weg zum Schachenhaus im Wettersteingebirge bei Garmisch-Partenkirchen ist versperrt durch mehrere umgefallene Bäume, am Schachen (1867 Meter) liegt ein guter Meter Schnee. „Wir sind eingeschneit“, sagt Pächter Andreas Leitenbauer. Er und seine Kinder müssen eisigen minus sechs Grad kräftig einschüren. Die Zeit vertreiben sie sich mit Putzen. Noch einen guten halben Meter Schnee mehr hat es auf der Meilerhütte (2372 Meter), auf dem exponierten Grat kommen heftige Sturmböen dazu. Eigentlich wollte Wirtin Marisa Sattlegger, die mit fünf Mitarbeitern ausharrt, am vergangenen Wochenende das 50-jährige Bestehen der Hütte feiern. Aber die Party wurde natürlich abgesagt. Auch auf dem Stöhrhaus auf dem Untersberg im Berchtesgadener Land ist es ziemlich ungemütlich. Die Eingänge sind gefroren und müssen von außen freigeschaufelt werden, teilt der DAV Berchtesgaden am Montag mit. Der Alpenverein zieht seine Konsequenzen: Er schließt bis auf Weiteres alle seine Hütten in den Berchtesgadener Alpen, bis auf die Blaueishütte.

Anderswo herrscht Freude über den frühen Wintereinbruch. Das Skigebiet Hochkeil bei Salzburg hat am Wochenende eröffnet – laut Betreiber so früh wie noch nie.

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