Giftgas in der Kapelle

von Redaktion

Gotteshaus muss zur Schädlingsbekämpfung verhüllt werden

Peter Hasenknopf ist Baumeister in Berchtesgaden.

Während der Schädlingsbekämpfung war die Hilgerkapelle verhüllt. © Kilian Pfeiffer (2)

Berchtesgaden – Holzzerstörende Insektenarten haben es sich in einer 300 Jahre alten Kapelle in Berchtesgaden gemütlich gemacht. Sie mussten mit dem toxischen Sulfuryldifluorid bekämpft werden. Dafür wurde das kleine Gotteshaus zum Schutz der Anwohner verhüllt – ganz im Stil des Verhüllungskünstlers Christo. „Dadurch ist die Kapelle gasdicht“, erklärt der Schädlingsbekämpfer Marcus Römer, der mit seinem Team von der Nordsee anreiste. Auf der Außenwand der Kirche sind auf die Plane Hinweise geklebt: „Sehr giftige Gase”. Oder: „Lebensgefahr! Betreten verboten!”

Die Marktgemeinde ist Eigentümerin der im Jahr 1725 erbauten Kapelle. Die Hilgerkapelle war eigentlich kürzlich erst grundsaniert worden. Sie stand gut da, sagt Berchtesgadens Baumeister Peter Hasenknopf. Dennoch war etwas „faul“ im Gotteshaus. Gemeindemitarbeiter fanden an verschiedenen Stellen Bohrmehl auf dem Boden. Schnell war klar, dass die Insekten sich nicht nur im Dachstuhl, sondern auch im Kircheninventar Fraßgänge gebohrt hatten. Tatsächlich waren es mehrere Insektenarten, die Gefallen an der kleinen, im Stil des Spätbarocks erbauten und mit viel Holz versehenen Kapelle gefunden hatten.

Marcus Römer ist Geschäftsführer einer Spezialfirma. Holzzerstörende Insektenarten seien vor allem in jenen Gebäuden ein Problem, in denen das Holz oft alt ist, erklärt der Experte. In der Nähe von Augsburg haben sie kürzlich ein Museumsdepot vollständig begast, weil auch dort der Wurm drinsteckte. Gotteshäuser sind aber noch häufiger betroffen: Viel altes Holz – da fühlen sich die kleinen Eindringlinge anscheinend wohl. „Wenn dort der Wurm drinsteckt, muss er so schnell wie möglich wieder raus”, sagt Römer. „Dachstuhl und wertvolles Inventar könnten nachhaltig in Gefahr sein.” In der Hilgerkapelle hatten sich Hausbock und Holzwurm eingenistet. Die im Holz befindlichen Larven ernähren sich von der Bausubstanz, verpuppen sich und schlüpfen wieder.

Tatsächlich hätte es andere Möglichkeiten gegeben, das Kirchenholz von den Insekten zu befreien. Eine Art Holzschutzmittel wäre aber nicht so effektiv gewesen. Zudem hätte das Mittel erst lange ausdampfen müssen. Die Kapelle wäre währenddessen nicht betretbar gewesen. Auch eine thermische Lösung hätte weitere Probleme nach sich gezogen: „Wir hätten den Kircheninnenraum und das Holz auf 55 Grad Celsius aufheizen müssen”, sagt Römer. Dadurch hätten Oberflächen beschädigt werden können. Das Gas sei hingegen reaktionsarm. Außerdem hinterlässt es keine Rückstände und verflüchtigt sich schnell wieder. Verwendet wird Sulfuryldifluorid unter anderem zur Schädlingsbekämpfung in Überseecontainern. „Die Praxis der Containerbegasung geht mit hohen Emissionen in die Atmosphäre einher, die einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das Weltklima haben”, teilt das Umweltbundesamt mit.

Zur Schaffung eines gasdichten Raumes wurde die Kirche abgemessen und aus Spezialfolien ein Foliengewand zusammengeklebt, das das gesamte Gotteshaus bedeckt. Außerdem wurde die Nachbarschaft informiert. Zudem wurden Warnhinweise an der Kapelle angebracht. „Denn tatsächlich wäre das Gas auch für Menschen tödlich”, sagt Marcus Römer. Sein Team verteilte Messgeräte im Gemäuer, aber auch außerhalb, um bei einem eventuellen Gasaustritt schnell reagieren zu können. Zwei bis drei Tage Begasung reichen für das gewünschte Ergebnis. Die Hilgerkapelle wurde gut durchgelüftet. Es folgten viele Messungen, dann konnte Römer verkünden: „Der Holzwurm ist jetzt Geschichte.“
KILIAN PFEIFFER

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