Hefte weg, jetzt kommt eine Ex: Schülerinnen bei einer Schulaufgabe. © Peter Weber
München – Mit drei Worten war eigentlich alles gesagt: Die Exen bleiben, verkündete Ministerpräsident Markus Söder bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im Kloster Banz. Drei Wörter – und viel Ärger. Denn noch vor zwei Wochen klang das ganz anders. Zum Schulstart hatte Kultusministerin Anna Stolz (FW) versprochen, die Zahl der Leistungsnachweise unter die Lupe zu nehmen – und auch die Frage zu diskutieren, ob sie unangekündigt sein müssen. Für Stolz war das eine Frage der „Prüfungskultur“. Jetzt kommt die Ansage von ganz oben – wie schon bei der Frage des Religionsunterrichts an Grundschulen (muss unangetastet bleiben) gibt Söder seiner Ministerin die Marschroute vor. Dabei hatte er sie just in Banz auch noch als „beste Ministerin“ in der Riege der vier FW-Minister gelobt.
„Das Machtwort erstaunt mich“, kommentiert Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Sie steht unangekündigten Proben kritisch gegenüber. Mit Bildungsqualität habe das nichts zu tun, den wissenschaftlichen Nachweis, dass Schüler besser seien, wenn sie jahrelang mit Exen konfrontiert wurden, gebe es nicht. Vor allem aber findet sie es „schade“, dass Söder damit seine Ministerin vor den Kopf stoße. „Sie hat ja zu der Frage der Prüfungen einen Dialog angeboten, doch jetzt hat Söder das Thema abgefrühstückt.“ Zudem sei das Machtwort problematisch, weil derzeit Unterschriften für eine Petition „Schluss mit Abfragen und Exen“ gesammelt werden. Die Aktion wurde von der kleinen, GEW-gestützten Initiative „Eine Schule für alle“ initiiert.
Die Münchner Gymnasiastin Amelie N. ist das Gesicht der Petition, die trotz viel Medienrummel auf eher mäßiges Interesse (nach drei Monaten bisher 16 000 Unterschriften) stößt. „Wir werden nicht aufgeben“, erklärt die Schülerin nun in einer Erklärung, die „Schule für alle“ veröffentlicht. Fast trotzig empfiehlt sie Söder, „sich mit dem Thema zeitgemäße Prüfungskultur auseinanderzusetzen und das Kultusministerium seinen Job machen zu lassen“.
Ähnlich kritisch äußert sich die SPD-Bildungsexpertin Simone Strohmayr, die auf der Plattform „X“ erklärt: „Da hat Söder seine Bildungs-Ministerin kräftig abgewatscht.“ Strohmayr weiter: „So kommen wir mit guter Bildung nicht voran“. Es gibt aber auch Lob für den Ministerpräsidenten: Der Deutsche Lehrerverband findet Exen gut.
Und was sagt die Ministerin selbst? Offenen Widerstand gegen Söders Machtwort wagt Anna Stolz nicht. Sie lenkt ein. Schule müsse Kompetenzen lehren, die Schüler in der „Leistungsgesellschaft“ benötigten, erklärt sie gegenüber unserer Zeitung. „Wir sind beide der Überzeugung, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen dazu befähigen müssen, auch spontan und adäquat auf herausfordernde Situationen zu reagieren“, heißt es weiter. Dann der entscheidende Satz: „Dazu gehören auch unangekündigte Leistungsnachweise.“ Allerdings, so fügt Stolz an, hätten die Schulen schon jetzt viele Freiheiten bei den Leistungserhebungen. Sie bleibe dabei, dass man „noch mehr als bisher auf innovative und praxisnahe Prüfungsformate“ ausprobieren solle. Da gehe es „um viel mehr als die Frage der Ankündigung von Leistungsnachweisen“.
DIRK WALTER