Zu viele Cremes schaden der Kinderhaut, warnen Experten. © dpa
Würzburg – In den Sozialen Medien inszenieren sich viele Menschen – und sie alle haben eine scheinbar makellose, faltenfreie Haut. Wie das gelingt, kann man ebenfalls in den Sozialen Medien sehen: sogenannte Skinfluencer (der Name setzt sich aus Skin für Haut und Influencer zusammen) zeigen dort ihre tägliche Hautpflegeroutine und stellen Produkte vor, mit denen man den Problemzonen im Gesicht zu Leibe rücken kann. Und wie bei vielen Internet-Trends ahmen Jugendliche und Kinder das nach.
So präsentieren etwa auf Tiktok und Instagram schon Mädchen im Grundschulalter ihr Schönheitsprogramm: Gesicht reinigen, dann ein Serum auftupfen und eine Anti-Aging-Creme einmassieren. In anderen Videos sieht man Jugendliche, die in Drogeriemärkten Kosmetikprodukte in ihre Einkaufskörbe legen und von deren Vorzügen schwärmen. Doch Fachleute warnen vor dem Kosmetik-Trend, bei dem Kinder die Erwachsenen imitieren.
Ausgeprägt sei das vor allem in den USA, sagt Markenmanagement-Professor Karsten Kilian von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. „Aber auch in Deutschland greifen immer jüngere Mädchen zu Produkten, die sie zum einen nicht brauchen und die zum anderen nicht für sie gemacht wurden.“ Kritisch sieht die Expertin Kerstin Etzenbach-Effers von der Verbraucherzentrale vor allem Inhaltsstoffe wie Retinol, Fruchtsäuren oder Vitamin C. Diese könnten bei Kindern Hautreizungen, Entzündungen und Ekzeme verursachen. Im Vergleich zu Erwachsenen haben Kinder eine schwächere Hautbarriere und ein sich noch entwickelndes Immunsystem. „Das macht ihre Haut anfälliger für äußere Reizstoffe, Umweltfaktoren und Allergene.“ Zum Teil enthielten Anti-Aging-Cremes auch UV-Filter, die im Verdacht stehen, das Hormonsystem zu schädigen.
Kinderhaut brauche gar keine Pflege, sagt der Münchner Hautarzt Christoph Liebich. „Bei Pubertierenden mit Akne würde eine reichhaltige Anti-Aging-Pflege die Pickel sogar noch fördern.“ Ähnlich sieht es die Expertin der Dermatologischen Gesellschaft, Christiane Bayerl. „Anti-Aging-Präparate sind völlig unnötig, aber nicht gefährlich für die Kinderhaut.“ Vorsicht sei vor allem in der Pubertät geboten. Da könne zu viel Pflege und schlechtes Abschminken unreine Haut verursachen.
Experte Kilian sieht weitere Risiken: „Der Fokus auf das äußere Erscheinungsbild kann zu einem gestörten Selbstbild führen, zu fehlendem Selbstvertrauen und zu einem geringen Selbstwertgefühl. Gesellschaftlich fördert der Kosmetik-Trend bei Kindern traditionelle Rollenbilder, insbesondere die stereotype Darstellung von Mädchen und Frauen“, sagt er.
Laut einer Studie interessieren sich Jugendliche bereits früh für Kosmetik. Dahinter stecke das Bedürfnis, einem gefühlten Kontrollverlust entgegenzuwirken, den sie in vielen Bereichen ihres täglichen Lebens erlebten – etwa durch die Pubertät oder Stress in der Schule. Das Äußere zu kontrollieren und nach den eigenen Wünschen zu bearbeiten, gibt den Jugendlichen Sicherheit. Ihre Inspiration beziehen sie aus den Sozialen Medien.
Kilian hält den Skinfluencer-Trend für problematisch. „Dadurch entsteht eine falsche Vorstellung von Schönheit“, sagt er. Und zum Teil auch davon, was natürlich ist. Starkes Make-up, Bildbearbeitung, perfekte Ausleuchtung – all das sorgt dafür, dass eigene Pickel oder kleine Makel als viel größeres Problem wahrgenommen werden, sagt der Hautarzt Liebich. Gleichzeitig erlebe er in seiner Praxis, dass junge Leute mit großer Bereitwilligkeit den Internet-Tipps folgten, zig Produkte gegen Akne probierten und dann verzweifelt seien, dass diese nicht wirkten. „Die Kinder sind mehr überzeugt von dem, was ihnen auf Tiktok vermittelt wird, als vom Facharzt“, sagt Liebich.