Strafzettel aus Italien werden derzeit nicht nach Deutschland verschickt.
Ein italienischer Polizist stellt einen Strafzettel vor einem Auto aus. © Imago (2)
München/Bozen – Die schönsten Wochen des Jahres verbringen die Bayern gerne in Bella Italia. Doch ein Ausflug mit dem Pkw in eine pittoreske Altstadt oder an einen beliebten Strand endet schnell mit einem Knöllchen, wenn man die Parkzeit überzieht oder ein Tempolimit übersehen hat.
Seit 2016 konnten die Italiener auch die Geldbußen in Deutschland eintreiben, das galt auch umgekehrt. Um die Daten der Fahrzeughalter zu bekommen, sind fast alle europäischen Staaten an das European Car and Driving Licence Information System (EUCARIS) angeschlossen, wo die Daten der Fahrzeughalter ausgetauscht werden.
Doch seit einigen Monaten werden keine Strafzettel mehr über die Alpen geschickt. Grund ist, dass Deutschland, Österreich und die Niederlande Italien den Zugang zu EUCARIS verweigern. Die Behörden des Urlaubslandes bekommen keine Adressen der Fahrzeughalter zugeschickt.
Alleine in Meran wurden laut der Parlamentsabgeordneten Julia Unterberger (SVP) über 4000 Strafzettel nicht verschickt. An die 230 000 Euro Geldbußen stehen dort aus. Das Problem: Sie müssen innerhalb von 360 Tagen zugestellt werden. Unterberger tobt: „Das ist nicht nur eine Diskriminierung der italienischen Autofahrer, denen jedes Vergehen sofort angelastet wird, sondern auch ein Verlust an Geldmitteln für die Gemeinden.“
Grund der EUCARIS-Pause war laut Stephan Immen, Pressesprecher des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), eine „rechtswidrige Nutzung“ des Systems. „Dem KBA war bekannt geworden, dass durch rechtswidrige Nutzung dieses EU-Austauschverfahrens Halterdaten auch für andere Verstöße aus dem Ausland abgerufen worden sind“, so Immen. „Dies geschah unter Nutzung der italienischen Kontaktstelle des EU-Austauschverfahrens.“
Das KBA habe sich daraufhin an die italienische Kontaktstelle gewandt und um Klärung und Beseitigung der Unregelmäßigkeiten gebeten. Immen: „Darum wurde das Halterauskunftsverfahren vorübergehend eingestellt.“ Mittlerweile seien von italienischer Seite aber Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen worden, sodass italienische Stellen wieder Auskünfte bekämen. Italien greife seit der vorigen Woche, wieder auf die Daten zu, sodass offenbar wieder Strafzettel verschickt werden können.
Doch das ist noch nicht alles: Laut ADAC sind zwei Musterklagen anhängig, die der Verkehrsclub für zwei Mitglieder derzeit ausficht: Wolfgang B. aus Bayern war im September 2021 versehentlich in Grado an der Adria in die verkehrsbeschränkte Innenstadt gefahren. Das Bußgeld betrug etwa 100 Euro, die Zahlungsaufforderung, die der Autofahrer von einem Kölner Inkasso-Unternehmen bekam, betrug aber samt Gebühren 434,93 Euro. Die Praxis, ein Inkassounternehmen für Bußgelder einzuschalten, ist laut ADAC allerdings illegal: „Öffentlich-rechtliche, also polizeiliche Bußgelder und Strafen aus dem EU-Ausland, dürfen in Deutschland nur über das für die Europäische Bußgeldvollstreckung zuständige Bundesamt für Justiz eingetrieben werden. Eine Beteiligung privater Inkasso-Unternehmen ist hierzulande nicht vorgesehen, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage“, sagt ADAC-Auslandsjurist Michael Nissen. Nissen sieht einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung: „Die Weitergabe personenbezogener Daten einer öffentlich-rechtlichen Behörde an ein privates Unternehmen halten wir für unzulässig.“
Der ADAC legte Beschwerde beim Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen ein, da das Inkasso-Unternehmen in Köln sitzt. Der ADAC geht auch in einem zweiten Musterverfahren gegen die saftigen Zuschläge der Inkasso-Firmen vor. „Innerhalb von Italien können Kommunen Inkasso-Dienstleister einschalten, aber die dürfen nur das Bußgeld, doch keine Inkasso-Gebühren verlangen“, erläutert Nissen.
JOHANNES WELTE