Ein junger Wolf im Nationalpark: nicht mehr akut bedroht © Armin Weigel/dpa
Hilfreicher Termin: Steffi Lemke (r.) im August mit bayerischen Politikern bei der Hauptalmbegehung in der Nähe von Oberammergau. © Uwe Lein/dpa
Brüssel/München – Kein guter Tag für den Wolf, ein besserer für die Almbauern. Die Europäische Union korrigiert jetzt doch ihren Kurs und erleichtert den schnelleren Abschuss von Wölfen. Die Pläne haben am Mittwoch in Brüssel eine erste, aber entscheidende Hürde genommen. Vertreter der 27 Mitgliedstaaten stimmten nach Diplomatenangaben dafür, den Schutzstatus der Tiere herabzusetzen und damit die Jagd zu vereinfachen. Spannend: Auch die Bundesregierung mit der grünen Umweltministerin Steffi Lemke sprach sich für die Änderungen aus und sorgte so für die Mehrheit.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte sich bereits vor Monaten für die Pläne ausgesprochen und an die Nöte der betroffenen Almbauern erinnert. Nun gab auch Parteifreundin Lemke ihren Widerstand auf. „Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist“, erklärte Lemke nun. Offenbar half ein Ortstermin Anfang August in Oberammergau beim Umdenken: Da hatte Lemke besorgte Almbauern bei der Hauptalmbegehung getroffen.
Bislang dürfen Wölfe in der EU nur abgeschossen werden, wenn sie sich auffällig verhalten und eine Gefahr für den Menschen und Weidetiere darstellen. Mit einer Absenkung des Schutzstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“ ist nach Angaben des Umweltministeriums ein „Bestandsmanagement“ möglich. Der Wolf wäre dann noch geschützt, eine Jagd auf die Tiere aber grundsätzlich möglich.
Bis die Änderungen tatsächlich umgesetzt werden, dürfte es allerdings noch viele Monate dauern. Der Schutz der Tiere ist in der sogenannten Berner Konvention von 1979 festgeschrieben, die neben der EU auch Länder wie die Türkei, Marokko und die Schweiz unterzeichnet haben. Um den Status des Wolfs herabzusenken, muss zunächst dieser internationale Vertrag abgeändert werden. Dieses Verfahren soll im Dezember starten. Anschließend muss die EU-Kommission konkrete Vorschläge für die zukünftigen Jagdregeln für Wölfe machen.
Innenpolitisch gibt es dafür nun eine Mehrheit. „Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine Zukunft zu geben“, sagte auch die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Naturschutz brauche klare Regeln und die Möglichkeit, Wölfe zu jagen. Die Union fordert das ohnehin. Der Bauernverband hatte für 2022 mehr als 4300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere gezählt, doppelt so viele wie 2018.
Auch in Österreich wird die Brüsseler (und Berliner) Wende gelobt. „Der Sachverstand hat über die Ideologie gesiegt“, sagte der dortige Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Der Wolf drohe sich um 30 Prozent pro Jahr zu vermehren und verliere „zunehmend die Scheu vor dem Menschen“. Der Umweltverband WWF sprach indes von einem „Tag der Scham“ für die EU. Die Änderung gilt neben Forderungen von Weidetierhaltern als persönliches Anliegen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU/EVP): Ein Wolf hatte 2022 ihr Pony Dolly gerissen.
CD/DPA/AFP