„Wir werden vom Klimawandel profitieren“

von Redaktion

Klaus Stöttner über den Wandel im Tourismus und Lösungen für genervte Anwohner

Touristen-Hotspot: der Parkplatz am Eibsee, unterhalb der Zugspitze. Hier herrscht regelmäßig Verkehrschaos. © Kornatz/Schlaf

München – Klaus Stöttner ist da daheim, wo andere Urlaub machen. Im schönen Chiemgau. Über 20 Jahre lang saß er als Abgeordneter für den Stimmkreis Rosenheim-Ost im Landtag und war tourismuspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion. Heute ist der 60-Jährige Präsident des Vereins Tourismus Oberbayern München (TOM). Der will Oberbayern mit seinen bis zu 40 Millionen Übernachtungen pro Jahr als Tourismus-Standort weiter stärken. Doch die vielen Besucher sorgen in manchen Regionen auch für Unmut. Ein Gespräch über den Umgang mit dem Overtourism – und den Weg in die Zukunft.

Immer mehr Gemeinden in Bayern beklagen Overtourimus. Grainau überlegt etwa, hohe Zufahrtsgebühren zum Eibsee zu verlangen. Jammern die Anwohner zu viel?

Die Einheimischen jammern ja nicht, weil ihre Wirtschaften voll sind. Oder weil sie selbst wegen des Tourismuses ein gutes gastronomisches Angebot im Dorf genießen oder über neue Radwege fahren. Sie klagen, weil ihnen der Verkehr zu viel ist. Hohe Eintrittsgelder sind trotzdem der absolut falsche Weg. Das Motto muss lauten: Du bist Gast und hier willkommen! Nicht: Zahl viel Geld oder wir sperren dich aus.

Wann ist der Punkt erreicht, an dem Ausflugsverkehr reguliert werden muss?

Wenn die Pkw-Flut zu groß ist, braucht es Regeln – auch wenn das bei Gästen nicht beliebt ist. Wie in Neuschwanstein und am Königssee wäre wohl auch in Grainau ein Zentralparkplatz sinnvoll, von dem aus Bus oder Zug weiterbefördern. Da die Kommune Garmisch-Partenkirchen als Hauptaktionär an der Zugspitzbahn beteiligt ist, wäre sie gegebenenfalls für so ein Verkehrsleitsystem zuständig. Und da Besucher dorthin überregional anreisen, wäre das wohl sogar ein Fall für einen neuen Ansatz der Landesplanung. Das sollte man prüfen und mit Blick auf die Zukunft bei hohem touristischen Potenzial investieren.

Wie wird sich der Tourismus in Bayern verändern?

Bayern wird auf Dauer Profiteur des Klimawandels sein. Schon jetzt fahren viele Urlauber nicht mehr tief in den Süden. Bei den Hitzeperioden im Sommer ist das Klima nördlich der Alpen verträglicher. 60 Prozent der touristischen Umsätze in Bayern macht inzwischen der Sommer aus.

Für Overtourismus sorgen vor allem Tagesgäste. Wie bringt man sie dazu, über Nacht zu bleiben?

Uns brechen die Betten im preisgünstigen Segment weg. Neben Campingplätzen und Jugendherbergen wären sie für die jüngere Generation aber der Einstieg in den Urlaub in Bayern. Früher haben Wirtshäuser zehn, 20 Betten angeboten. Jetzt schließen viele oder vermieten die Räumlichkeiten lieber. Hier müssten Gemeinden und die Tourismusunternehmer neue Strategien entwickeln. Wieso sollte eine Bäckerei mit Frühstücksangebot nicht auch Übernachtungsgäste rund um die Bäckerei verpflegen oder sogar Hotelzimmer oberhalb der Bäckerei bauen.

Mit dem Ausflugsticker, der Staus und volle Parkplätze anzeigen soll, gäbe es ein digitales Angebot, um die Touristen zu lenken – es wird aber kaum genutzt.

Der Ausflugsticker war gut gemeint, aber kann noch nicht funktionieren. Vielerorts werden die Besucherströme zwar erfasst. Teils mit hochmoderner Sensorik, teils noch per Hand. Aber erst, wenn man das vereinheitlicht hat und alle Infos zusammenlaufen, könnte so ein Ticker in Echtzeit von Nutzen sein und dann ist eine Besucherlenkung erfolgreich.

Zurück nach Grainau: Gibt es kurzfristige Lösungen?

Das Rosi-Mobil am Chiemsee ist ein ÖPNV-Zubringer-Angebot, das über eine Buchung per App spontane Busfahrten ermöglicht. Die Flotte aus Elektrofahrzeugen hat keinen festen Fahrplan, kann aber auf Abruf Punkte in einem Netz aus Haltestellen anfahren und einen innerhalb dieses Netzes am Wunsch-Ziel absetzen. Das wird hervorragend angenommen. Ältere nutzen es für Fahrten zum Arzt oder Supermarkt, Jüngere abends. Wieso sollte so ein Rufbus-System nicht auch den Ausflugsverkehr entlasten können?

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