Reflexartig bewegt sich der Zeigefinger dem Symbol für Papierkorb entgegen. „Advent ist im Dezember“, weiß der aufrechte Christenmensch – und nicht schon im September. Also müssen alle diese Mails, die beinahe täglich eintreffen und Adventskalender anpreisen, gelöscht werden. Schließlich geht man ja auch moralisch siegessicher in den Geschäften an sämtlichen Lebkuchen, Dominosteinen und weihnachtlichen Schokoladen vorbei. Wo kämen wir hin, wenn wir das Zeug jetzt schon kaufen, gar essen würden?
Jetzt kommt ein großes Aber. Der Verleger dieser Zeitung, ein aufrechter Christenmensch, weist immer wieder auf die Verdienste der deutschen Wirtschaft hin. Darauf, dass man keinesfalls in eine wohlfeile klerikale Kritikasterei an den Unternehmern und Unternehmerinnen verfallen dürfe, die als ehrbare Kaufleute zum Wohlstand dieser Gesellschaft beitragen. Recht hat er, der Verleger. Wir profitieren von sozialer Wirtschaft mit anständigen Löhnen und Preisen. Das allein tut‘s freilich nicht.
Um die voradventlichen Angebote nicht sofort zu löschen, braucht es mehr. Ich schaue sie mir an. Eine Münchner Kosmetikfirma bietet Kalender an, die 69,99 Euro kosten, aber Gesichtscremes, Masken, Haar- und Körperpflege im Wert von 174 Euro enthalten. Fitness-Kalender präsentieren proteinreiche Snacks für knapp 70 statt 108 Euro. Andere möchten duftende Duschteilchen verkaufen. Dann sind da noch die Unternehmen, die mit fairen Bio-Produkte handeln: Tee, Schokolade, Honig, Gewürze … zwischen 3,89 Euro bis ultimo. Vieles ist schön, aber auch ganz schön teuer. Das kann sich nicht jeder und jede leisten. Trotzdem ziehe ich den Zeigefinger zurück. Denn wer so etwas kaufen kann, soll das tun. Wenn man einen fertigen Adventskalender besorgt, vielleicht ergänzt um Geschichten, die die Botschaft der Weihnacht erzählen, ist man gerüstet für die dreieinhalb Wochen vor dem Heiligen Abend. Wer sich das nicht leisten kann oder mag, der bekommt vom Ideenreichtum der Firmen Inspirationen für eigene Adventskalender.
Mein Mann muss jetzt wegschauen. Oder ich schneide diese Kolumne aus, bevor er sie in die Finger kriegt. Denn ich gehöre zu denen, die nicht sonderlich geschickt, aber mit viel Liebe basteln. Ich fülle alle Jahre wieder für ihn verzierte Papiersäckchen mit praktischen Präsenten. Gutscheine kommen auch hinein: Für ein von mir gekochtes Abendessen zum Beispiel oder einen Mondspaziergang. Gedichte, selbst geschrieben, passen ebenfalls bestens in so ein Sackerl. Advent ist im Dezember. Aber ich muss mit meinem Kalender so langsam anfangen, wenn ich alles rechtzeitig beieinander haben will. Also Danke für die Impulse! Shampoo, Darjeeling und Mandelsplitter gehen immer.