Den hohen Pegel an der Paar in Reichertshofen schaute sich Bundeskanzler Olaf Scholz genau an. © Peter Kneffel/dpa
München – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam in Jeans und Gummistiefeln nach Reichertshofen, Kreis Pfaffenhofen, und ließ sich vom Feuerwehrkommandanten erklären, warum die braune Brühe aus der Paar über die Ufer getreten ist. Dann sagte der Kanzler in die Mikrofone der Fernsehteams, der Bund werde mit seinen Möglichkeiten alles dazu beitragen, „dass hier schnell weiter geholfen werden kann“, zum Beispiel mit der Bundeswehr. Er sagte auch: „Wir werden natürlich auch hinterher die geübte Praxis der Solidarität, die wir in Deutschland haben, weiter voranbringen.“ Dies habe der Bund vielerorts in Deutschland getan. „Und das werden wir auch hier machen. Das gehört sich so.“
Diese Zitate können sie in der bayerischen Staatskanzlei auswendig, sie sind nämlich aus der Sicht der Staatsregierung Dreh- und Angelpunkt in einem Streit zwischen Bund und Freistaat. Es geht um Geld, das nach dem Jahrhunderthochwasser Anfang Juni an tausende Betroffene ausbezahlt worden ist. 200 Millionen Euro waren in dem bayerischen Hilfsfonds, 5000 Euro gab es pro Haushalt maximal, bei Ölschäden bis zu 10 000 Euro. Zu diesen Länderhilfen sagt ein Sprecher der Staatskanzlei: „Die Menschen haben ihr Geld schnell und unbürokratisch bekommen.“ Nur bleibt Bayern auf diesen Kosten sitzen, zumindest bislang. Die Staatsregierung hat in den vergangenen Wochen mehrfach darüber geklagt, dass der Bund nach dem Hochwasser noch keine finanziellen Hilfsleistungen bezahlt hat. „Auf diese Zusagen warten wir bis heute“, sagt Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Deutlicher könne man die Benachteiligung und Missachtung Bayerns durch die Ampel nicht zum Ausdruck bringen. Nur: Die Bundesregierung behauptet, dass das Land Bayern bislang keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt hätte. Wer hat nun Recht?
Fakt ist: Es gibt einen bundesweiten Fluthilfefonds. Dieser war vor rund drei Jahren nach dem Hochwasser im Ahrtal eingerichtet worden. Bayern hat nach eigener Aussage bislang 100 Millionen Euro in den Fonds einbezahlt. Und trotzdem erhalte Bayern „im Ernstfall keine Unterstützung“, schimpft Finanzminister Albert Füracker (CSU). Der Schaden ist gewaltig, die Flut richtete in Süddeutschland Stand jetzt mehr als 4,1 Milliarden Euro Schaden an. Ein Sprecher der Bundesregierung präzisiert das Prozedere für Mittel aus dem Fluthilfefonds: Laut Grundgesetz seien die Länder für den Ausgleich der Schäden zuständig. Der Bund könne ausnahmsweise mit finanziellen Hilfen einspringen, wenn eine „Katastrophe nationalen Ausmaßes“ vorliege und die betroffenen Länder überfordert seien. Dazu müssten aber die Gesamtumstände bewertet werden – also Schadenssummen, die nicht durch Versicherungen abgedeckt sind, und unmittelbare Auswirkungen der Katastrophe auf die Länderhaushalte. Eine „Katastrophe nationalen Ausmaßes“ sei durch die Unterlagen aus Bayern bislang nicht belegt.
Stimmt nicht, heißt es aus dem bayerischen Finanzministerium. Bereits am 16. August habe die Behörde mit vorläufig geschätzten Zahlen zu den Hochwasserschäden einen Antrag auf finanzielle Unterstützung aus dem Solidaritätsfonds der EU gestellt. Das ist der zweite Topf, aus dem sich der Freistaat die Soforthilfen zumindest teilweise zurückholen kann. Weil der Antrag über Christian Lindners Bundesfinanzministerium an die EU weitergegeben wurde, sei der Bundesregierung sehr wohl bekannt, welchen Schaden die Flut angerichtet hatte. Nach Informationen unserer Zeitung wurde der Antrag recht zeitnah, nämlich am 20. August, von Berlin nach Brüssel geschickt. Dass das nicht ausreichend sein soll, um Gelder aus dem nationalen Fluthilfefonds zu erhalten, hält man in Bayern für „vorgeschoben“.
C. ZIMNIOK