So soll es aussehen: Das Sportgymnasium für Geretsried hat Star-Architekt Daniel Libeskind entworfen. Optisch soll es sich in den Stadtwald einfügen. © Studio Libeskind
Geretsried – Den einen geht es um ein Projekt mit Strahlkraft, den Entwurf eines Star-Architekten, um Bildung und die sportliche Zukunft. Den Gegnern nicht. Denen geht es um den Stadtwald und darum, dass er in seiner Gesamtheit bleibt. In Geretsried (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) gibt‘s massiven Streit um ein Schulprojekt. Der Plan eines privaten Trägers, ein Sportgymnasium im Stadtwald zu bauen, entzweit die Geretsrieder. 4500 Menschen stützen ein Bürgerbegehren gegen die Rodung eines Wald-Abschnitts. Der Stadtrat hält am Plan fest. In der Bürgerversammlung an diesem Donnerstagabend treffen Gegner und Planer erstmals öffentlich aufeinander. Der eigentliche Showdown findet aber erst später statt.
Die Pläne der München Süd Sportschule GmbH sind groß. 700 Jugendliche sollen in dem Neubau lernen. Moderne Strukturen sind den Initiatoren wichtig. Die Betreiber sprechen nicht von Klassenzimmern, sondern von „Lerninseln“, von „Lerncoaches“ statt Lehrern. Die „Lernpartner“ – Regelschulen nennen sie „Schüler“ – können auch unterwegs am Laptop arbeiten, wenn sie auf Wettkampf sind. Dem Leistungssport-Nachwuchs richtet die Schule Freiräume ein.
Auch für Breitensportler aus der Umgebung soll es Klassen geben, mindestens eine je Jahrgangsstufe. „Die Schule soll sich öffnen in die Stadt und die Region“, betonte Projektleiterin Ute Hennekes. Der Landkreis braucht ein weiteres Gymnasium, im Geretsrieder Stadtleitbild – so etwas wie eine basisdemokratische Zukunftsplanung – ist die Ansiedlung einer zusätzlichen weiterführenden Schule aufgeführt.
Ein Coup der Initiatoren ist der Bau selbst. Der wurde von Daniel Libeskind skizziert. Der Architekt (78) hat das neue World Trade Center und das höchste Wohnhaus in der EU, das 192 Meter hohe Zlota 44 in Warschau, entworfen. Vor dem Siemens-Gebäude in München steht seine Wings-Statue.
Geretsried in einem Atemzug mit New York und Warschau? Für Bürgermeister Michael Müller (CSU) ist diese Vision eine „historische Dimension für unsere Stadt“. Hennekes sprach von einer „ikonischen Architektur“. Anderen ist das völlig egal. Vor allem Thomas Laumont. Der möchte den Bau am geplanten Standort verhindern. Und mit ihm Tausende.
Laumont ist einer der drei Köpfe der Interessensgemeinschaft (IG) Wald. Die hat innerhalb weniger Wochen 4500 Unterschriften gesammelt, um das Waldstück zu erhalten. „Wir sind nicht gegen das Sportgymnasium, wir wollen nur den Stadtwald schützen“, so Laumont gegenüber unserer Zeitung.
Er spricht von 20 000 Quadratmetern, die gerodet werden müssten, Bürgermeister Müller glaubt an einen deutlich geringeren Flächenverbrauch. Das ändert die Meinung der IG Wald nicht: „Wir fangen nicht an zu diskutieren, ob dieser oder jener Baum fallen darf und wie viel denn in Ordnung wäre.“
28 von 30 Stadträten wollten die Planung zuletzt weiterführen. Am 24. November stimmen die Geretsrieder in einem Bürgerentscheid selbst ab. Das Bürgerbegehren der IG Wald kommt zur Abstimmung, der Stadtrat hält das Ratsbegehren „Ja zu Bildung, Ja zu Sport“ dagegen. IG-Wald-Sprecher Laumont nennt die Reaktion der Stadt und des Bürgermeisters auf das Bürgerbegehren „moralisch bedenklich“.
Der Ton wird schärfer, obwohl es noch keine öffentliche Auseinandersetzung beider Parteien gegeben hat. An diesem Donnerstagabend kommt es dazu in der Bürgerversammlung. Dort äußern sich beide Seiten. Im Vorjahr kamen 13 Bürger und hörten sich die Vorträge über Expressbusse und Kinderbetreuung an. Heuer rechnet man mit einer vollen Aula in der Grundschule.
DOMINIK STALLEIN