Ursula Zieglmeier aus Ebersberg. © Stefan Roßmann
Zigarettenkippen, Gummibärchentüten, Notizzettel, Plastikbecher, Corona-Masken, Kronkorken: Was Ursula Zieglmeier aus Ebersberg mit ihrer Greifzange zu fassen bekommt, wandert in eine große Plastiktüte. Die 89-Jährige leistet aktiven Umweltschutz und liest an fünf Tagen pro Woche Müll von der Straße auf – freiwillig und mit ungebremstem Engagement.
Eigentlich ist für die Reinhaltung öffentlicher Straßen und Wege die Stadt verantwortlich. Doch die kommt längst nicht mehr mit dem Aufräumen nach. Ob Ursula Zieglmeier zum Einkaufen oder einfach nur spazieren geht: Auf all ihren Wegen sammelt sie alles, was so herumliegt. Entweder, weil‘s aus der Hosentasche gefallen ist oder weil‘s jemand achtlos weggeworfen hat. Nur an Sonn- und Feiertagen lässt sie die Greifzange daheim. Was motiviert diese Frau? „Es soll halt schön ausschauen“, sagt sie.
Irgendwann wollte die Ebersbergerin über den herumliegenden Müll in ihrer Stadt nicht mehr hinwegsehen. Und über eine Sache zu schimpfen, ist nicht ihre Sache. Also hat sie angepackt. „Zigarettenkippen sind so klein, da meint man, die fallen nicht auf“, sagt sie, aber sie seien in dieser Menge halt doch ein Problem. An einer Stelle hat sie alles beseitigt, und nun, beim Zurücklaufen, liegt schon wieder was am Boden. Stoisch wird auch dieses Papier aufgegabelt. Da, eine Bierflasche. „Für das Flaschenpfand habe ich ein Projekt“, sagt sie. Das Geld wird gespendet. Sie schlägt einen Haken: „Dort ist auch noch was!“ Manches ist schnell weggeräumt, manches lässt sich kaum greifen. „Am schlimmsten ist es bei Regen, da klebt alles am Boden“, sagt Zieglmeier.
Vor etwa 15 Jahren hat sie zusammen mit ihrem Mann begonnen, bei Spaziergängen Flaschen aufzusammeln. Nachdem ihr Mann verstarb, sorgte sie allein dafür, dass es schön aussieht. Gelegentlich erntet sie für ihre Arbeit auch ein „Danke“. Als sie sich nach einer OP lange Zeit nicht mehr bücken konnte, hat eine Bekannte bemerkt, dass auf Zieglers Stammstrecke nun mehr Müll liege. Dann bekam sie von der Stadt Ebersberg eine Greifzange geschenkt. Nun sammelt sie wieder, muss sich aber nicht mehr bücken. Auf einer ihrer Sammeltouren habe ihr ein Mann nachgerufen: „Dort hamms was vergessen.“ Manchmal spricht sie auch selber Menschen an. Einen Mann, der achtlos eine Kippe weggeworfen hatte, machte sie darauf aufmerksam, dass man das nicht tun sollte. „Sie haben recht“, habe er freundlich geantwortet.
Ursula Zieglmeier war die Pionierin, aber heute ist sie nicht mehr die Einzige, die sich in Ebersberg für eine müllfreie Stadt einsetzt. Inzwischen machen sich 253 weitere Müllpaten auf den Weg, um immer wieder Straßen, Plätze und Grünstreifen ihrer Heimatgemeinde sauber zu halten. Man erkennt sie an ihrer Ausrüstung: Greifzange, Handschuhe, Warnweste und Müllsack. Inzwischen sind die Agenda21, Kindergärten, Schulklassen, Frauennotruf und Frauenunion mit dabei.
MARIA WEININGER