Umworben von Rechtsextremisten: Franz Schönhuber (hier bei einer Wahlkampfveranstaltung 1994) steht im Zentrum der Studie von Moritz Fischer („Die Republikaner. Geschichte einer rechtsextremen Partei“, Wallstein Verlag, 40 Euro). © Kasper/pa
Franz Schönhuber war in den 1970er-Jahren das Fernsehgesicht des BR. Der Moderator von „Jetzt red i“ hatte aber viele Funktionen, war 1970 kurz Chefredakteur der tz, danach Kolumnist der „Abendzeitung“ und Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbands. 1982 verharmloste er in seinem Buch „Ich war dabei“ die Waffen-SS und driftete mit der Gründung der „Republikaner“ nach ganz rechtsaußen ab. Die Republikaner wurden, allerdings nicht in Bayern, in einige Landtage gewählt, ehe sie ab 2010 in der Bedeutungslosigkeit verschwanden. Der Münchner Moritz Fischer (29) hat als erster Historiker den Nachlass Schönhubers ausgewertet und seine Doktorarbeit über die Partei geschrieben.
War Franz Schönhuber für Sie ein Populist oder ein Rechtsextremist?
Im Grunde beides. Die Trennung ergibt wenig Sinn, weil auch Populisten Rechtsextremisten sein können. Schönhuber hat sich in den ersten Jahren nach der Gründung der Republikaner 1983 als jemand verstanden, der aus dem Volk kommt und weiß, wie es tickt. Diese Einstellung hatte er von „Jetzt red i“, seiner erfolgreichsten Sendung, wo er sich ja auch als Anwalt des einfachen Bürgers sah.
Da war auch eine Abneigung des Establishments spürbar.
Das war ja das Erfolgsrezept der Sendung, die Großkopferten mit den Problemen der gewöhnlichen Bürger zu konfrontieren. Populismus prägt die Republikaner aber nur am Anfang, denn Schönhuber sieht sich mehr und mehr als Charismatiker. 1994 ist es so weit, dass er sich als vom Schicksal auserwählt wähnt, um dem deutschen Volk zu helfen. Das erinnert an Hitler, der sich auch als Werkzeug einer übersinnlichen Vorsehung begriff. Das zeigt, wie tief Schönhuber im Rechtsextremismus verwurzelt war.
Und er hat von Anfang an rechtsextreme Themen bedient, indem er in seinem Buch „Ich war dabei“ die Waffen-SS verharmlost hat …
Er hat mit rechtsextremen Themen geradezu gespielt, im Laufe der Zeit konzentriert sich das immer stärker auf die Frage der Migration, die deutschen Ostgebiete, das Judentum in Deutschland.
Der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, war für ihn eine Hassfigur.
So war es. Er hat ihn als größten Volksverhetzer in Deutschland bezeichnet, arbeitet sich immer wieder am Zentralrat ab, sieht Deutschland geradezu als von Juden besetzt an, spricht von Kollektivschuld und ähnlichen rechtsextremen Narrativen.
Schönhuber schließt dann sogar mit dem Chef der rechtsextremen DVU und Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung, Gerhard Frey, Bündnisse. Kurz vor seinem Tod 2005 ist er Bürgermeisterkandidat der NPD in Dresden. Wie tief kann man sinken?
Schönhuber hat sich im Grunde seit den frühen 1970er-Jahren stetig radikalisiert. Er wandelt sich von einem konservativen Sozialdemokraten zu einem Liberalkonservativen, der immer stärker nach rechts abdriftet und in den 1990er-Jahren einen völkischen Nationalismus vertritt. Ein wichtiger Berater Schönhubers war Harald Neubauer, der von der NPD kam. Zum Zweiten versucht die Partei immer, eine bürgerliche Fassade zu wahren, sie will sich zwischen CDU/CSU und NPD/DVU positionieren. 1994 verschwindet die Grenze, Schönhuber wirbt offen darum, Wahlbündnisse mit der DVU zu gründen. Damit hat er selbst innerhalb der Republikaner den Bogen überspannt, er muss sich zurückziehen und tritt nicht mehr als Bundesvorsitzender an.
Sie haben als erster Forscher Schönhubers Nachlass ausgewertet. Was findet man da?
In den 280 Aktenordnern ist das gesamte Beziehungsgeflecht des Rechtsextremismus der damaligen Zeit enthalten. Schönhuber war nach dem großen Erfolg von „Ich war dabei“ umworben von wohl fast allen damaligen Köpfen dieser Szene bis hin zu Holocaustleugnern wie Gerd Sudholt. Vor allem aber mit dem – wenn man so will – intellektuellen Kopf der Neuen Rechten, Armin Mohler, und dem rechtslastigen Erlanger Historiker Hellmut Diwald entwickelt sich ein reger Austausch. Sie sind seine engen Berater.
Franz Josef Strauß sagte, eine demokratisch legitimierte Partei rechts von der Union dürfe es nicht geben. Wie sieht er die Republikaner?
Strauß hält sich erst mal zurück, Schönhuber war ja Mitglied im informellen Franzens-Club, sie duzten sich, die beiden unternahmen auch private Reisen, die Familien waren sogar enger befreundet. Die Beziehung zerbricht aber nach dem Skandal um „Ich war dabei“, als ihn der BR schließlich 1982 feuert. Schönhuber hatte gehofft, Rückendeckung von Strauß zu erhalten. Als die ausbleibt, führt er seine Entlassung auch auf Machenschaften der CSU zurück. 1986 ist es so weit, dass Strauß Schönhuber schlicht als Arschloch tituliert.
Max Streibl pflegte immer freundschaftlichen Kontakt mit Schönhuber.
Die beiden kannten sich schon seit den 1970er-Jahren, wobei man sagen muss, dass Schönhuber wohl jeden maßgeblichen bayerischen Politiker kannte. Streibl wäre einer Koalition mit den Republikanern nicht abgeneigt gewesen, das haben auch Edmund Stoiber und Theo Waigel berichtet – das sind diejenigen, die die totale Abgrenzung – eine Brandmauer, würde man heute sagen – forderten.
Die Nachwirkung der Republikaner liegt darin, wie Sie schreiben, dass sie eine Art intellektuelle Kaderschmiede für den Rechtsextremismus war. Ist die Partei ein AfD-Vorläufer?
Ja, die Entwicklung völkischer Theorien, eines ethnopluralistischen Rassismus, ist so etwas wie das hässliche Erbe der Republikaner. Auch die Positionierung zur Migrationspolitik, wie man daraus Kampagnen macht, ist etwas, auf das die AfD heute aufbauen kann. Ebenso waren die Republikaner die Ersten, die konsequent eine Anti-EU-Politik von rechts propagiert haben. Es gibt aber auch Unterschiede.
Welche?
Zum Beispiel ist der radikale Nationalismus der Republikaner, der ein Deutschland in den Grenzen von 1937 forderte, so offen heute bei der AfD nicht zu finden. Auch Ausfälle gegen den Zentralrat der Juden und radikale Äußerungen zur Vergangenheitspolitik findet man bei der AfD deutlich seltener. In den 1980er-Jahren war die sogenannte Erlebnisgeneration noch politisch aktiv. Da waren viele Grenzziehungen zur NS-Zeit, bei Themen wie der Beteiligung der Wehrmacht an NS-Verbrechen oder auch die Rolle der Waffen-SS, nicht so gesetzt, wie es heute der Fall ist. Es war mehr sagbar als heute, es gab mehr Nichtwissen, auch weil es weniger Forschung gab als heute. Aber natürlich gibt es auch personelle Verbindungen zwischen AfD und Republikanern, die aber nicht systematisch untersucht sind. Schönhubers Nachfolger Rolf Schlierer zum Beispiel kandidierte 2019 bei den Kommunalwahlen in Stuttgart für die AfD.
Gibt es die Republikaner eigentlich heute noch?
Ja, aber de facto sind all die rechtsextremen Parteien zu Splittergruppen verkommen. Die AfD hat alles aufgesaugt. Zur letzten Bundestagswahl sind die Republikaner nicht mehr zugelassen worden.