Flughafen-Chef in der Kritik

von Redaktion

Chaos hat Nachspiel im Stadtrat und im Aufsichtsrat

Vor dem Terminal 2 des Flughafens München kam es zuletzt mehrmals zu langen Schlangen © höß

„Extreme Gemengelagen“: Flughafen-Chef Jost Lammers vor dem Wirtschaftsausschuss der Stadt München. © Schlaf

Die Zeit der Höhenflüge am Flughafen ist fürs Erste vorbei. Es herrscht Krisenstimmung. © Frank Hoermann/pa/SvenSimon

München – Gepäckchaos, verspätete Abfertigung, Warteschlangen – die Probleme am Flughafen München werden ein Nachspiel auch im Aufsichtsrat des Airports haben. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kündigte an, er werde dort „deutliche und klare Fragen stellen“. Mit Erläuterungen von Flughafen-Chef Jost Lammers, der am Dienstag im Wirtschaftsausschuss des Münchner Stadtrats zum Rapport erschienen war, zeigte sich der OB sehr unzufrieden. „Ich definiere Qualität anders als Sie“, Lammers habe „nicht in Ansätzen“ zufriedenstellende Erklärungen geliefert.

Entzündet hat sich die Diskussion aufgrund der Schlangen vor dem Terminal 2 kurz vor Ende der Wiesn, die den Flughafen auch international ins Gerede gebracht hatten. Drei Stunden und mehr standen die Fluggäste an, ehe sie durch die Sicherheitskontrollen kamen. Auf Antrag der CSU im Stadtrat erläuterte Lammers die Ursachen der chaotischen Zustände. Er sprach von einer „extremen Form nicht beherrschbarer Gemengelagen“. So sei durch den Einbau neuer CT-Scanner die Kontroll-Kapazität um zehn Prozent reduziert gewesen; Fluggäste seien teils acht Stunden zu früh erschienen; strenge EU-Vorgaben zur Flüssigkeitskontrolle hätten die Passagiere verwirrt; und auch auf die S-Bahn schob Lammers einen Teil der Verantwortung: Durch den Ausfall mehrerer Verbindungen seien die Passagiere schubweise gekommen – bis zu 1500 Reisende auf einmal. Das genügte den Stadträten allerdings nicht, die Lammers parteiübergreifend scharf kritisierten. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl wurde sehr grundsätzlich. „Seit Jahren“ gebe es Beschwerden übers Warten auf Gepäck oder ewiges Stehen der Maschinen am Rollfeld. Das seien „Dinge, die wir in der Vergangenheit nicht kannten“. Andere Flughäfen seien mittlerweile „deutlich besser“. Ähnlich die SPD-Stadträtin Simone Burger: „So wie jeder eine Bahngeschichte erzählen kann, haben viele mittlerweile auch Flughafengeschichten.“ Sie vermutete, es liege am Fachkräftemangel. Der FDP-Vertreter Fritz Roth wurde so deutlich, dass sich sogar Grünen-Fraktionschef Sebastian Weisenburger („teile den Tonfall nicht“) schützend vor Lammers stellte. Roth sprach von einem „eiskalten Managerton“, mit dem Lammers „Dinge abgespult“ habe. Er vermisse, so der FDP-Stadtrat, „mehr Ärmelhochkrempeln und weniger Krawatte“ am Flughafen.

Lammers legte daraufhin nach. Er betonte, dass der Flughafen trotz Wirtschaftsflaute und steigender Gebühren wachse – nach dem gestern veröffentlichten Zwischenbericht für das dritte Quartal stiegen die Passagierzahlen in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 12,5 Prozent auf 31,4 Millionen Passagiere. Bis zum Jahresende erwartet Lammers 88 Prozent des Vorkrisenniveaus, das wären 42 Millionen Passagiere. Laufend werde jetzt eingestellt, 2023 bisher 1500 Mitarbeiter, 560 davon bei der Bodenabfertigung. Und der Flughafen halte sich an den Tarifvertrag, zahle einen Stundenlohn von über 17 Euro für ungelernte Arbeiter.

Danach musste er sich aber die Philippika des Oberbürgermeisters anhören, gefolgt von Ausführungen des kaum weniger genervten Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner. Er erinnerte daran, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Flughafen unlängst als „schlechtesten Europas“ bezeichnet habe. Es passe ihm gar nicht, dass sich Lufthansa und Flughafen über die Medien beharkten, sagte der CSU-Stadtrat. Lammers riet er, sich „aufs Kerngeschäft Fliegen“ zu konzentrieren und unrentable Immobiliengeschäfte wie Lap Campus oder Event Arena hintanzustellen – da auch Baumgärtner im FMG-Aufsichtsrat sitzt, dürfte Lammers spätestens jetzt geschwant haben, dass die nächste Sitzung sehr ungemütlich wird.


DIRK WALTER

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