Unterhalter und Provokateur: Thomas Gottschalk im vergangenen Jahr bei der ZDF-Unterhaltungsshow ‚Wetten, dass..?‘. Nun ist eine Debatte um eine Passage aus seinem Buch wieder entflammt. © Frederic Kern/geisler-Fotopress/picture alliance
München – Er gab seinen Söhne ein paar Watschn und schrieb darüber. Jetzt muss Thomas Gottschalk (74) verbal Prügel einstecken. Der ehemalige „Wetten, dass…“-Moderator macht aktuell Werbung für sein neues Buch „Ungefiltert“, doch jetzt sieht er sich einem Shitstorm ausgesetzt – wegen einer alten Passage aus seinem 2015 erschienenen Werk „Herbstblond“.
Darin schildert Gottschalk freimütig, wie er seinen Söhnen ein paar schmierte – hier die umstrittene Passage: „Als ich meinem Sohn Roman unbeherrscht eine knallte, weil er drei Kugeln Vanilleeis vor die Eistheke fallen ließ, drohte ein Fremder, der den Vorgang mitgefilmt hatte, mich bei der Presse als Rabenvater bloßzustellen. Ein anderes Mal musste ich mich selbst zur Ordnung rufen, weil mir die Hand wegen eines Sakrilegs ausrutschte, mit dem Tristan mich bis heute aufzieht: In einer Boutique lief auf einem altmodischen Plattenspieler das Album „Rubber Soul“ von den Beatles. Während ich mich nach einem Anzug in meiner Größe erkundigte, tat mein gelangweilter Sohn das Einzige, wozu aus seiner Sicht ein Plattenspieler gut war: Mitten in „Norwegian Wood“ fing er an, auf dem Teil zu scratchen, und als Paul McCartney jaulend den Geist aufgab, hatte mein armes Kind schon eine gefangen. Ich musste mir schwere Vorwürfe von meiner Frau anhören, denn natürlich hat mich das Kerlchen bei ihr verpetzt, und meine Fingerabdrücke hielten sich ziemlich gut auf seiner Backe. Ich kann mich nicht erinnern, als Kind eine ähnlich zarte Haut gehabt zu haben.“
Neun Jahre später fliegen ihm diese Ohrfeigen-Erinnerungen um die Ohren: Im Internet-Nachrichtendienst X teilte Wetterexperte Jörg Kachelmann (66) ordentlich gegen Gottschalk aus – mit drastischen Worten: „Thomas Gottschalk ist Kindesmisshandler. Wenn er damals angezeigt worden wäre, wäre er heute verurteilter Straftäter.“ Weiter schrieb der Meteorologe: „Aber es kam anders und er ist heute zu einem Idol für dumme, alte und weiße Kartoffeln geworden.“ Das Wort „Kartoffel“ ist eine beleidigende Bezeichnung für „Deutscher“.
Daraufhin hagelte es im Internet heftige Kritik am Entertainer. Andere verteidigten Gottschalk – unter ihnen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (53, Freie Wähler). Der schrieb auf X: „Lieber Herr Kachelmann, bitte schüren Sie doch Ihren Holzofen an, machen Sie sich eine schöne Kartoffelsuppe und seien Sie nicht so garstig zu Herrn Gottschalk. Wetten, dass es Ihnen dann besser geht?!“
Das Schlagen von Kindern ist in Deutschland seit 2001 verboten. Aus gutem Grund, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV): „Wir wissen: Erziehung mit physischer oder psychischer Gewalt ist schädlich. Ohrfeigen sind eine gewalttätige, grenzüberschreitende Handlung“, so die Pädagogin. „Man sollte aber nicht auf Grenzüberschreitungen mit Grenzüberschreitungen reagieren. Denn: Kinder lernen am negativen Vorbild. Gewalt führt zu Gewalt. Wenn wir an Grenzen stoßen, sollte man Grenzen benennen – nach dem Motto: Das tust du nicht. Danach eine Entschuldigung fordern. Und am Schluss: reflektieren. Was ist denn jetzt passiert, aus welchem Grund? Oft kommt raus: Wenn Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten machen, haben sie oft selbst große Schwierigkeiten – und reagieren so, wie sie es von zu Hause kennen. Deshalb ist Gewalt der falsche Weg.“
Ob ihm die Watschn von gestern heute leidtun, wollte Thomas Gottschalk nicht beantworten. Er war auf Anfrage nicht zu erreichen.