Ärzte warnten vor Kontrollen

von Redaktion

Missstände am Schlachthof: Veterinäre stehen vor Gericht

In einer Handy-Gruppe wurde vor Kontrollen gewarnt.

Tierschützer protestierten gestern vor dem Landgericht in Aschaffenburg. © Hildenbrand/dpa

Aschaffenburg – Schlachttiere müssen von vermeidbaren Schmerzen, Stress und Leiden verschont werden. Damit es den Tieren bis zu ihrem Tod gut geht, gibt es bayernweit Kontrollen in Schlachthöfen. So auch in Aschaffenburg. Doch dort sollen die Betreiber vorab per Handynachricht von den anstehenden Besuchen der Kontrolleure gewarnt worden sein – und zwar von den amtlich zuständigen Tierärztinnen. Diese stehen nun wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht vor dem Landgericht Aschaffenburg.

Eine der Angeklagten, eine 28-Jährige, will den Schlachthof nie informiert haben, wenn die Kontrolleure sich die Zustände ansehen wollten. Dass Schlachthöfe in Bayern vor unangekündigten Kontrollen gewarnt werden, ist nach ihren Angaben aber üblich. „Tatsächlich glaube ich, dass es gang und gäbe ist“, sagte die Tierärztin. „Das ist ein Systemproblem in Bayern.“

Ausgangspunkt des Verfahrens sind Aufnahmen der Tierschutzorganisation „Soko Tierschutz“. Diese im Sommer 2023 veröffentlichten Bilder und Videos zeigen, wie Beschäftigte Schweine und Rinder mit Elektroschockern traktieren und offensichtlich noch lebende Tiere auseinandernehmen. „Ich war selber schockiert, als ich die Videos gesehen habe“, sagte die 28-Jährige. Wenn sie bei den Schlachtungen dabei war, habe es so etwas nicht gegeben. Die Angeklagte sprach von einem großen Personalmangel sowohl im Schlachthof als auch auf der Behördenseite. „Das System ist schlecht.“

Die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) untersagte nach Veröffentlichung der Aufnahmen zeitweise den Schlachtbetrieb. Die Stadt, Eigentümerin von Gelände und Gebäude, kündigte den Pachtvertrag. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen unter anderem wegen quälerischer Tiermisshandlung auf. Der Komplex ist längst nicht abgeschlossen – aber nach den Anklagen gegen die früheren amtlich zuständigen Tierärztinnen und den Inhaber eines Zerlegebetriebes gibt es nun ein erstes Strafverfahren. Am Mittwoch könnte das Urteil kommen.

Die Tierärztinnen waren laut Anklage für die Schlachttier-Untersuchung, die Kontrolle der Schlachtung und die spätere Fleischbeschau zuständig. Sie erfuhren vorab von beabsichtigten Kontrollen der KBLV. Diese Termine sind „geheimhaltungsbedürftig, um den Erfolg der Kontrolle nicht zu gefährden“, erläuterte Staatsanwalt Johannes Barko. Doch statt die Kontrolltermine für sich zu behalten, soll die 51 Jahre alte Angeklagte ihre Informationen unter anderem in einer Handy-Nachrichtengruppe namens „Info Schlachtteam“ geteilt haben. Auch der Inhaber eines Zerlegebetriebs – wegen Beihilfe angeklagt – soll Teil dieser Gruppe gewesen sein. Ebenso einer der damalige Geschäftsführer der AB Schlachthof GmbH.

Doch warum sollen die Tierärztinnen den Schlachthof gewarnt haben? Die 51-Jährige beteuerte, sie habe keine Vergünstigungen oder Geld erhalten. Sie habe den Schlachthof informiert, weil sie bei Mängeln berufliche Konsequenzen befürchtet habe, so ihr Verteidiger. „Ihr ist bewusst, dass dies nicht richtig war.“

Ermittelt wird noch gegen zwei ehemalige Geschäftsführer der AB Schlachthof GmbH wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und gegen fünf ehemalige Mitarbeiter wegen quälerischer Tiermisshandlung.
DPA

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