Christopher Zier vor dem Klimastreifen-Diagramm.
Ein Eisbrocken als Mahnmal für die Klimaerwärmung.
Die Neue Prager Hütte hatte heuer wegen Wassermangel lange vor Saisonende am 15. August geschlossen. © imago
Die Hütte der Zukunft: Friederike Kaiser und Tobias Hipp, Geologe beim DAV, stehen vor einer Station der neuen Ausstellung im Alpinen Museum in München. Es hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. © Martin Hangen (3)
München – Friederike Kaiser steht vor der Hütte der Zukunft und öffnet ihre Fensterchen. Hinter ihnen verbergen sich zum Beispiel ein großer Sack Kichererbsen oder eine dicke Holzplatte. „Dreißig Tonnen CO2 verursacht eine Alpenvereinshütte im Sommer. Ungefähr so viel wie drei Menschen in Deutschland über ein Jahr hinweg“, sagt Kaiser, die beim Deutschen Alpenverein den Bereich Kultur und damit auch das Alpine Museum in München leitet. „Noch gibt es keine klimaneutrale Hütte, aber viele Sektionen und Wirte sind dabei, Ressourcen zu schonen und alte Gewohnheiten zu überdenken.“
Neu sind Photovoltaik- und Trinkwasseraufbereitungsanlagen, Außenduschen und Trockentoiletten. Aber eben auch der Sack Kichererbsen, aus dem etwa auf der Reintalangerhütte 300 Portionen Eintopf hergestellt werden. Das nahrhafte Lebensmittel, das im Kuchen auch Eier ersetzt, spart Emissionen. Genau wie die leichte, aber isolierende Schichtholzplatte, die sich ideal für alpine Baustellen eignet.
All die Ideen in den Fenstern machen die Hütte zum Vorbild. Bisher ist sie zwar nur ein Exponat in der neuen Sonderausstellung auf der Praterinsel. Wenn es aber nach dem DAV geht, wird sie schon bald Realität. Die Klimaerwärmung wird die Bergwelt in den nächsten Jahrzehnten massiv verändern. Das zeigt sich nicht nur durch schmelzende Gletscher und Bergstürze, sondern wirkt sich auch gravierend auf Pflanzen und Tiere aus. Die steigenden Temperaturen nagen auch an den Hütten – an der Neuen Prager Hütte etwa, die heuer wegen Wasserknappheit das dritte Jahr in Folge vorzeitig schließen musste.
„Wir dürfen nicht nur klagen, wir müssen auch handeln“, sagt Kaiser, als sie gestern durch die Sonderausstellung „Zukunft Alpen“ führt (bis 30.8.2026, Eintritt: 6 Euro). Der DAV sei nicht nur Bergsport-, sondern auch Naturschutzverband. „Wir wollten nicht nur zeigen, auf welche Veränderungen sich der ganze Alpenbogen einstellen muss, sondern auch nach Wegen suchen, wie man damit umgehen kann.“
Der DAV hat dafür mit anderen Alpenvereinen, Naturschutzorganisationen und Wissenschaftlern zusammengearbeitet – darunter Christopher Zier, Meteorologe und Geograph beim Landesamt für Umwelt. Er hat ein Diagramm aus Klimastreifen erstellt, die bis ins Jahr 1881 zurückgehen, aber auch bis 2100 vorauseilen. Blau steht für kalte Temperaturen, Dunkelrot für sehr heiße. In der Zukunft teilt sich das Diagramm in zwei Arme. Beide sind rot, der eine aber ist dunkelrot. Er geht vom schlimmsten Fall aus: dass das Mittel der Jahresdurchschnittstemperatur bis 2100 um 5,1 Grad steigt. Dann gibt es mehr Tropennächte, Starkregentage und in Bayerns Alpen nicht mehr 41 Eistage pro Jahr, sondern nur noch zwei. Der zweite Arm zeigt, dass das noch abzuwehren wäre. „Aber noch bewegen wir uns mehr auf dem Pfad ohne Klimaschutz.“
Die Ausstellung will aufrütteln. An Audio- und Videostationen tun das Interviewpartner, darunter Hüttenwirte und renommierte Wissenschaftler. Ein Gletscherflies hängt neben Drohnenaufnahmen von Gletschern in Tirol, auf denen neue Skilifte gebaut werden sollen. Ein Mahnmal für das Dilemma zwischen Bergsport und Naturschutz. Genau wie der Eisbrocken, der die Besucher der Ausstellung begrüßt und verabschiedet. Er schmilzt – denn Klimaschutz ist ein Wettlauf gegen die Zeit.