…in diesem Jahr treten Charlotte und Jonas als Bürger und Wutbürger auf. © Oliver Bodmer
Mit den Engelsstimmen Charlotte Bördefeld und Jonas Bücherl grüßte Enrico de Paruta beim Weihnachtssingen 2019…
München – Wenn am 11. Dezember das „Münchner Weihnachtssingen Heilige Nacht“ erstmals in der diesjährigen Adventszeit in der Allerheiligenhofkirche erklingt, kann das Weihnachtsfestspiel auf ein Jubiläum zurückblicken: Seit 20 Jahren nämlich gibt es die „Engelsstimmen“: Kindersoprane, die seither Jahr für Jahr in einem speziellen Gesangswettbewerb ausgewählt werden und als Solisten erste Bühnenerfahrung machen können.
Der Schauspieler und Moderator Enrico de Paruta, der 1975 als 21-Jähriger Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ erstmals vorgetragen hat – damals hatte er das Vers-Epos noch am Tisch sitzend vorgelesen –, hatte im Laufe der Zeit daraus ein Singspiel entwickelt. Und da kamen beinahe zwangsläufig Kinder ins Spiel. „In den ersten Jahren haben wir mit den Münchner Chorbuben und -mädchen zusammengearbeitet, später mit den Domsingknaben“, erinnert er sich. Bald habe sich aber herausgestellt, wenn die Weihnachtsgeschichte als Inszenierung auf die Bühne gebracht werden soll, braucht man Kinder nicht nur als Chor, sondern auch als Solisten. Sieben Jahre dauerte es, bis die „Engelsstimmen“ starten konnten.
Im ersten Jahr waren es über 400 Kinder, die sich aus ganz Bayern mit Tonaufnahmen beworben haben. Enrico de Paruta lacht, wenn er sich daran erinnert, wie er und seine Musiker sich im Sommer 2004 durch die Bänder „durchgehört“ haben. „400 Mal ,Stille Nacht, heilige Nacht‘“. Schließlich blieben zehn Mädchen und Buben übrig, aus denen drei Preisträger erwählt wurden. 101 Kinder haben in den 20 Jahren als Solisten bei der „Heiligen Nacht“ mit ihren glockenhellen Stimmen das Weihnachtsspiel bereichert. Dabei nehmen die Kinder allerhand auf sich. Ab Ende Juni gibt es Workshops, in denen sie in Gesang, Atemtechnik, Stimmbildung und Bühnenpräsenz geschult werden. „Nach den Sommerferien kommen dann die studierten Sänger hinzu. Dann wird jeden Samstag geprobt – über fünf Stunden. Wenn andere Kinder auf dem Fußballplatz sind und am Handy daddeln“, sagt de Paruta.
Die Qualität der Kinderstimmen hat sich im Laufe der 20 Jahre immer weiter verbessert. „Die Eltern und Kinder wissen, dass gewisse Ansprüche gestellt werden. Wir brauchen eine schöne Stimme, das Kind muss gut intonieren können“, so der Regisseur und Erzähler des Singspiels. Meist würden sich jetzt Mitglieder von Kinderchören oder Musikschulen bewerben. Viele von ihnen spielen Klavier oder Geige. Als Engelsstimme bei de Parutas „Heilige Nacht“ mitgemacht zu haben, war auch schon der Beginn so mancher Karriere. „Anna Handler war 2006 eine der ausgewählten Engelsstimmen. Sie hat heuer als junge Maestra bei den Salzburger Festspielen die Oper ,Die Kluge‘ von Carl Orff dirigiert“, freut sich de Paruta. Alice Merton, die mit dem Song „No Roots“ vor sieben Jahren einen großen Hit gelandet hat, war 2007 als 14-Jährige im Jugendchor der „Heiligen Nacht“. Markus Ücker, Engelsstimme von 2009, studiert heute Schauspiel in Berlin und kommt 2025 als Handwerksbursche Hansei zurück zum Weihnachtsspiel.
Von Anbeginn der „Engelsstimmen“ an ist Carolin Reiber, de Parutas frühere Moderatoren-Kollegin beim Bayerischen Rundfunk, als Schirmherrin dabei. „Sie hat sofort zugesagt, als ich sie gefragt habe“, erinnert er sich. „Dieses Wort hat sie bis heute gehalten. Nicht einmal abgesagt. Sie war immer da, bei Workshops, bei Preisverleihungen.“ An der Ausbildung der jungen Talente sind professionelle Stimmbildner beteiligt wie der Chorleiter Benjamin Schiefer. In der Darstellungkunst ist es de Paruta, der den Kindern sein Wissen vermittelt. „Bei uns können die Kinder singen, sie können spielen – und wenn‘s zur Rolle passt, auch tanzen.“
In diesem Jahr gibt es bei der „Heiligen Nacht“ einen ganz besonderen Akzent: De Paruta hat den Wunsch von Ludwig Thoma, sein Stück als Krippenspiel mit Musik von Max Reger aufzuführen, zum Jubiläum der Engelsstimmen eingebaut. „Wir haben jetzt Regers ,Mariä Wiegenlied‘ ins Programm aufgenommen.“ So wandelt sich immer wieder etwas in den Aufführungen. Das, was de Paruta als junger Mann vor fast 50 Jahren am Tisch sitzend vorgelesen hat, ist zu einem Weihnachtsspiel geworden, das inzwischen für zahlreiche Menschen im Advent dazugehört wie der Christbaum zum Weihnachtsfest.
CLAUDIA MÖLLERS
Die Karten
für das Münchner Weihnachtssingen Heilige Nacht gibt es bei München Ticket unter Tel. 089/54818181 oder online unter www.heilige-nacht.com