Rebellion des Landvolks gegen die Kirche

von Redaktion

Nach dem Schock über Agrarstudie der Bischofskonferenz folgen nun Gespräche

Das Verhältnis der Landwirte zur Kirche wird durch eine Agrarstudie belastet. © Kneffel/dpa

München – Gabriele Eberl ist nicht nur Kreisbäuerin in Altötting, sie war 25 Jahre im Pfarrgemeinderat St. Josef aktiv. Sie und ihr Mann Robert sind kirchliche Umweltauditoren, machen ihre Gemeinde fit für den Klimaschutz. Kirche und Landwirtschaft, das gehört in ihrem Leben zusammen. Doch das enge Verhältnis hat einen gehörigen Schlag erlitten. Der Grund: Die Studie einer Sachverständigengruppe im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz über „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität“. Die hat die Landfrauen so auf die Palme getrieben, dass sie sich geweigert haben, das Erntedankfest in Tüßling mit ihrer traditionellen Erntekrone zu schmücken (wir berichteten). „So, wie jetzt wieder auf uns neighaut wird, lassen wir es heuer.“ Auch an anderen Orten stellten Bäuerinnen ihre Mitwirkung an den Gottesdiensten ein.

Die 79-seitige Studie unter Vorsitz des Ethik-Professors Johannes Wallacher von der Hochschule für Philosophie in München fordert eine gemeinwohlorientiert Landnutzungswende. Gabriele Eberl ist enttäuscht: „Wenn man sich die Autoren angeschaut hat, wusste man gleich: Man redet über uns, aber nicht mit uns. Hier wurde den Gläubigen, die bei uns im ländlichen Raum noch überwiegend Kirchgänger und noch ehrenamtlich dabei sind, vollkommen vor den Kopf gestoßen.“

Die Empörung des Landvolks hat den Bischöfen einen gehörigen Schreck versetzt. Drohen sie jetzt auf dem Land ihre treuesten Gläubigen zu verlieren? Während sich der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer gleich ganz von der Studie distanziert, traf sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx mit Landesbäuerin Christine Singer zur Schadensbegrenzung. Es sei nur ein Diskussionspapier, versuchte er die Wogen zu glätten und betonte die hohe Wertschätzung der Kirche für die Landwirte und deren Arbeit.

Auf das harmonische Einvernehmen zwischen Landvolk und Kirche ist ein Schatten gefallen. Pfarrer Josef Mayer, Landvolkpfarrer im Münchner Erzbistum, ist als Vermittler im Einsatz. „Die Kommunikation ist nicht optimal gelaufen“, sagt er. „Ich glaube, dass der Druck auf den ländlichen Raum sehr hoch ist, weil viele Dinge nicht wirklich bearbeitet worden sind.“ Mayer sieht keine klare Linie bei der Politik – er meint damit Bayern und den Bund. Ständig gebe es neue Regelungen, aber die Einkommenssicherheit der Landwirte werde zu wenig berücksichtigt. Die Folge: Landwirte sind verunsichert. Viele fühlten sich durch pauschale Angriffe an den Pranger gestellt. Es gebe viel psychischen Druck in den Bauernfamilien, die Beratungsstellen verzeichneten viele Hilferufe.

„Jetzt kommt jede Geschichte, die auf eine dauerhafte Lösung herauslaufen könnte, als Angriff an“, umschreibt der Pfarrer die Situation. Dann erreiche man die Menschen nicht mehr. Wenn sie sich in die Enge getrieben fühlten, setzten sie an zum Gegenangriff. „Der Ansatz für das neue Papier ist gar nicht mal so unvernünftig. Aber wie soll das transportiert werden, wenn Betroffene nicht am Tisch sitzen?“ Man hätte die Landwirte im Vorfeld mit einbinden müssen. Inzwischen gab es im Arbeitskreis „Kirche und Landwirtschaft“ bereits ein Treffen mit Professor Wallacher. Der habe eingeräumt, dass man das künftig anders angehen wolle.

Es gebe aber auch Parteien wie die AfD ebenso wie Gruppierungen innerhalb der Landwirtschaft, die sich solchen Bauernzorn zunutze machten, warnt der Pfarrer. „Die leben von der Hetze.“ Mayer setzt auf Verständigung, ruft aber auch dazu auf, sich selber politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Der Landvolk-Pfarrer wünscht sich mehr Wertschätzung füreinander – gerade auch, wenn jemand eine ganz andere Meinung habe. „Die Empörungshaltung ist keine Entwicklungskultur.“

Für Kreisbäuerin Eberl bleibt es auch nicht bei der Empörung. Die Landfrauen im Kreis Altötting wollen mit ihrem Passauer Bischof Stefan Oster sprechen. Kirchenaustritt ist für sie keine Option. „Aber hier ist es wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen und nicht alle über einen Kamm zu scheren.“

Die Deutsche Bischofskonferenz, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, ist irritiert über den Protest. Der Text sei eine „Expertise einer Arbeitsgruppe“, die die Leistungen der Bauern ausdrücklich anerkenne. Er fordere sogar mehr Anerkennung ihrer Gemeinwohl-Leistungen..

Die Kirche kann hier selber Vorreiter sein. Pfarrer Mayer denkt da an die Regensburger Pfründestiftung, die alle kirchlichen Grundstücke in Bayern verwaltet. Dort könne man eine Sozialkomponente an die verpachteten Hektare knüpfen, sodass ein Teil der Pacht in die landwirtschaftliche Familienberatung fließt. Auch klimaschonender Umgang mit der Fläche kann die Kirche entsprechend fördern. In Altötting sind die Landfrauen guten Mutes, dass sie 2025 wieder eine Erntekrone schmücken. Doch vorher muss gesprochen werden.
CLAUDIA MÖLLERS

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