Urlaubsregion plötzlich abgehängt

von Redaktion

Oberstdorf und das Kleinwalsertal sind beliebte Ziele für Urlauber aus ganz Deutschland. Wenige Wochen vor der Wintersaison kündigt die DB plötzlich an, die Region vom Fernverkehr abzuhängen. Grund: Ein Stellwerk ist kaputt, die Erneuerung wird Jahre dauern.

Im Bahnhof Oberstdorf hält kein Zug mehr. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Oberstdorf/München – Urlauber mit Ziel in der Region Oberstdorf müssen sich die kommenden Jahre bei der Anreise mit der Bahn auf deutliche Einschränkungen gefasst machen. Die Deutsche Bahn (DB) kündigte an, dass eine Stellwerksanierung Bahnfahrten von und nach Oberstdorf behindern werde, Fernverkehrsverbindungen werden vorläufig ganz gestrichen.

Dies hat nicht nur Auswirkungen für die Tourismusangebote in Oberstdorf selbst. Auch andere Orte in der Umgebung sind betroffen, so ist beispielsweise das benachbarte Kleinwalsertal in Österreich ebenfalls auf den Bahnhof Oberstdorf angewiesen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) verlangte von der Bahn eine schnellere Reparatur oder die Einrichtung eines Notstellwerks. Oberstdorf sei eine der wichtigsten Tourismusdestinationen in Bayern mit mehr als 2,7 Millionen Übernachtungen pro Jahr, betont das Verkehrsministerium in München.

Die DB spricht von einem „massiven Kabelschaden“ im Stellwerk, der eine Kompletterneuerung der Anlage erfordere. Derzeit stehe im Bahnhof Oberstdorf daher nur noch ein Gleis zur Verfügung. „Deswegen können nicht mehr alle Züge in den Bahnhof Oberstdorf ein- und ausfahren.“ Die Nachricht beschäftigt auch Bahn-Interessierte, die im Internet-Forum „Drehscheibe“ eifrig spekulieren. Ein Insider berichtet von „Kabel-Versprödungen“, die irreparabel seien. Ohnehin fährt bis 3. November gar kein Zug – die Strecke muss bei Sonthofen aufgrund von Schäden am Bahndamm, die Biber angerichtet haben, repariert werden. Als Techniker die Sperrpause zur Überprüfung des Stellwerks nutzten, kam das Desaster zutage.

Die Fernverkehrs-Direktverbindungen von Dortmund und Hamburg würden „bis auf Weiteres“ komplett gestrichen, teilte die DB mit. Wann die Intercity-Züge wieder fahren, lässt die DB offen. Es sei aber beabsichtigt, Oberstdorf „später“ wieder an den Fernverkehr anzuschließen, sagt eine DB-Sprecherin. Die Planung und der Bau eines Stellwerks dauerten in der Regel aber mehrere Jahre, erläutert sie. Der Zeitplan werde „aktuell erarbeitet“.

Bernreiter fordert, die gestrichenen IC-Züge wenigstens bis Kempten, Immenstadt oder Sonthofen fahren zu lassen. Ob das geht, ist unklar. Außerdem verlangt er von der Bahn Auskunft, wo im Freistaat ähnliche Einschränkungen drohen. Er befürchtet, dass Oberstdorf nur ein Präzedenzfall ist. Denn im bayerischen Schienennetz gebe es zahlreiche Stellwerke älterer Bauart.

Auch für den Regionalverkehr hat der Schaden Auswirkungen. Die Züge aus München und Augsburg werden bis zu 20 Minuten länger unterwegs sein. Einzelne Verbindungen werden ganz entfallen.

Die schwäbische Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht das Allgäu im Wettbewerb mit anderen Ferienregionen zurückgeworfen. „Mit dem plötzlichen Aus für die Intercitys nach Oberstdorf verlieren auch Kempten, Kaufbeuren, Immenstadt, Sonthofen und Fischen ihre Fernverkehrs-Verbindungen“, sagt IHK-Mobilitätsexperte Peter Stöferle. Für die DB sei Oberstdorf ein unbequemer Zielbahnhof, weil er neben Sylt der einzige Fernverkehrs-Endpunkt sei, der nicht mit E-Loks angefahren werden könne, sagte Stöferle. „Hier rächt es sich zusätzlich, dass die seit Jahrzehnten überfällige Elektrifizierung immer noch fehlt.“

Die IHK spricht von Desaster

Zwar gibt es mittlerweile Planungen, auch mit neuartigen Wasserstoff-Zügen das Angebot im Allgäu zu verbessern. Bislang sind dort die Züge zu einem großen Teil aber noch mit Dieselmotoren unterwegs. Die IHK sieht die aktuelle Situation im Raum Oberstdorf daher als Folge von viel zu lange unterbliebenen Investitionen in die Strecken. Es sei „ein Desaster – für die Bahn und für den Tourismus“, meint Stöferle.

Auch die Hotelbetreiber im Kleinwalsertal sind enttäuscht. „Gerade diese Verbindungen waren sehr attraktiv“, sagt Ule Peter Haak vom dortigen Tourismusbüro. Vor allem für die älteren Reisenden sei die Situation tragisch. Allerdings sei die DB bereits seit Jahren nicht sehr verlässlich. Sie sei leider zu einer „Servicewüste“ geworden.

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