Schiri bewusstlos geschlagen

von Redaktion

Auf diesem Bild zeigt Schiedsrichter Ulrich Herb aus Türkenfeld die Gelbe Karte. Als er am Sonntag eine Rote Karte hochhielt, schlug ihm ein Spieler ins Gesicht. © Metzler/FuPa

Fürstenfeldbruck – Predrag Vuletic ringt um Worte. „Wir sind noch immer sprachlos“, sagt der 44-Jährige. Schon als Kind spielte er bei der FT Jahn Landsberg Fußball, seit 13 Jahren trainiert er die Herren-Reserve. Doch mit so einem Vorfall hatte er noch nie zu tun. Im Verein herrscht seit Sonntag der Ausnahmezustand. Einer von Vuletics‘ Spielern, ein 30-jähriger Ukrainer, hatte dem Schiedsrichter beim Spiel gegen den TSV Finning mit der Faust ins Gesicht geschlagen. „Ich stand weit weg am Spielfeldrand“, erzählt Vuletic. „Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Es ist auch egal, ich habe ihm gleich danach gesagt, dass er aus unser aller Augen verschwinden soll. Wir sind eine faire Mannschaft.“

An die Sekunden vor dem Faustschlag erinnert sich Schiedsrichter Ulrich Herb genau – obwohl der 46-Jährige danach in der 94. Minute zu Boden ging und das Bewusstsein verlor. „Ich hätte noch Anstoß gegeben und dann das Spiel abgepfiffen“, erzählt er. Als das Spiel 2:2 stand, gab Herb einen Eckstoß für Finning, wodurch das Team vom Ammersee das 3:2 erzielten. „Ich habe mich als Zeichen, dass das Tor zählt, zur Mittellinie bewegt. Als mir der Landsberger Spieler in seiner Heimatsprache fluchend und schimpfend nachlief.“ Das habe er als Beleidigung einwandfrei deuten können – und ihn mit der Roten Karte des Feldes verwiesen. „Der Spieler kam dann jedoch auf mich zu und hat mir mit der linken Faust ins Gesicht geschlagen.“

Der Schiri aus Türkenfeld im Kreis Fürstenfeldbruck ging zu Boden. „Danach haben mir anderthalb bis zwei Minuten gefehlt. Als ich wieder zu mir kam, waren bereits zwei Ordnungskräfte des Vereins da und geleiteten mich zur Kabine.“ Danach fuhr Herb heim, duschte und überlegte, ob er mehr unternehmen sollte, als seinen Schiri-Bericht abzufassen. Er kam zum Schluss: „Solche Vorgänge müssen einfach publik gemacht werden.“ Nachdem er zwei Ärzte konsultiert hatte und ihm der Verdacht auf einen Haarriss am Unterkiefer attestiert wurde, schaltete er einen Anwalt ein und erstattete am Dienstag bei der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung.

Gewalt gegen Schiedsrichter, das ist im Amateur-Fußball zunehmend keine Seltenheit mehr. Erst im März wurde ein Schiedsrichter in Hessen von mehreren Spielern angegriffen. Der 16-Jährige sperrte sich in seiner Kabine ein, bis die Polizei eintraf. Auch ein Fall aus der Oberpfalz schockiert: Ein Unparteiischer hatte nach einem Drittligaspiel eine Morddrohung per Mail erhalten. „Vier, fünf Tage habe ich schlaflose Nächte gehabt und war psychisch labil“, berichtet Herb. Und doch ist er froh, die Anzeige gemacht zu haben. Seinen nächsten Einsatz hat er erst mal abgesagt. „Ob ich weiterpfeife, weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.“

Vom zuständigen Schiri-Obmann, Christian Erdle, bekommt Herb Rückendeckung: „So etwas sollte man nicht unter den Teppich kehren und gleich wieder zur Tagesordnung übergehen. Das muss öffentlich gemacht werden. Gewalt hat auf dem Fußballplatz nichts verloren.“ Für den Obmann verhalten sich auch die beiden involvierten Vereine „vorbildlich“.

Die FT Jahn Landsberg hat sich öffentlich von der „nicht akzeptablen Entgleisung“ seines Spielers distanziert und ihn sofort aus Spielbetrieb und Verein ausgeschlossen: „Dieses Verhalten spiegelt nicht die Werte wider, die wir unseren Mitgliedern nahelegen, und wir können und wollen solches Verhalten nicht tolerieren. Lasst uns daran arbeiten, den Fußball zu dem zu machen, was er sein sollte: ein Spiel, das uns zusammenbringt und Freude bereitet.“

Trainer Vuletic macht sich an die Arbeit. Obwohl ein Teammitglied, mit dem über ein Jahr lang nicht nur gesportelt, sondern auch gefeiert worden ist, jetzt fehlt. „Er war ein netter Kerl, mit dem man Spaß haben konnte“, sagt er. „Viele Spieler, ja auch ich selbst, haben Migrationshintergrund und deshalb heißen wir jeden willkommen.“ Trotzdem: Zu dem 30-Jährigen habe niemand mehr Kontakt. „Wir sind froh, dass wir dieses Wochenende kein Spiel haben. All das nagt an uns – auch, weil wir Angst haben, bei den nächsten Spielen angefeindet zu werden.“ Zwei Spiele stehen an. „Für uns gehören Emotionen zum Fußball, aber nie Gewalt.“

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