Schwärmt für die Bienen: Imkerin Doro Stuhlmüller aus Achsheim bei Augsburg in voller Montur. © privat
Achsheim – Am 1. April 2015 ist Schluss mit Business-Kostüm und Chichi: Doro Stuhlmüller kündigt ihren Job bei einer Bank und wird Imkerin. Die Häutung von der gestylten Großstädterin zur entspannten Landbewohnerin hat auch mit ihrem Mann Peter zu tun. Kennengelernt haben sich die beiden im Rollpalast in München. Nicht nur das Rollschuhlaufen verbindet die beiden, sondern auch ein Traum: „Irgendwann wollen wir auf dem Land leben und viele Kinder haben.“ Peter ist Schreiner und Parkettleger, auf einem 400 Jahre alten Hof in Langweid-Achsheim (Kreis Augsburg) hat er eine Garage als Lager gepachtet. Als die alte Bewohnerin auszieht, greift er zu: Per Handschlag kauft er die Hofstelle, am 22. Dezember 1995.
Ihre Abfindung investiert sie in die Imkerei
Doro Stuhlmüller war hochschwanger, die erste Tochter zwei Jahre alt. Es geht holterdipolter. Aus steuerlichen Gründen wegen des Baukindergelds muss die junge Familie noch im alten Jahr umziehen. Die heute 57-Jährige lacht, als sie das erzählt. Dabei waren die Folgen heftig. „Ich bin von einer nigelnagelneuen Atelierwohnung hier eingezogen.“ Der Hof war so gut wie baufällig, ohne Heizung, mit Ölöfen, ohne Küche. „Wir haben auf der Hofseite geschlafen, auf der keine Heizung war, damit es die Kinder warm hatten“, erinnert sie sich.
Stuhlmüllers bekommen noch zwei weitere Töchter. Es waren harte Jahre. 2004, nach dem Mutterschutz arbeitet sie wieder bei der Bank, ihre Motivation aber sinkt von Jahr zu Jahr. „Ich war verkleidet, das war nicht ich.“ Als das jüngste Kind 15 war, raten die Töchter der Mama: „Hör auf.“ Die Abfindung investiert sie in Edelstahl-Geräte für die Imkerei – denn die war längst zur ihrer neuen Leidenschaft geworden.
Zu den Bienen gekommen ist sie wie die Jungfrau zum Kind. Ihr Mann wollte 2011 einen Imkerkursus machen. Doro Stuhlmüller dachte: „Das ist so ein Wochenendkursus, da mach ich dann mal wieder was mit ihm zusammen.“ Von wegen Wochenendkursus: Ein Jahr betreutes Imkern beim Imkerverein Meitingen hieß das. Doro fängt sofort Feuer: In der zweiten Woche schon legen sie sich zusätzlich ein eigenes Bienenvolk daheim zu, besuchen ein Jahr die Imkerschule in Kaufbeuren. Inzwischen ist sie Herrin über gut 180 Völker. Jeden Tag werden 60 Bienenstöcke kontrolliert, sie macht Honig mit den verschiedensten Zusätzen – mit Chili, mit Kardamom, mit Zimt, mit Fenchel, es gibt Sommerblüten- und Waldhonig. Das Wachs wird zu Kerzen verarbeitet. Aber es gibt auch Honig-Balsamico, Wein, Propolis-Lippenpflege oder Hautcreme im Hofladen oder im Internet (schmuttertaler-imkerei.de) zu kaufen.
Der verwunschene Hof in der Bauernstraße des 850-Seelen-Orts ist bis heute kein Haus aus dem Hochglanz-Magazin. Die Familie lebt nach anderen Werten. Es geht um Lebensqualität. Doros Migräne ist deutlich besser geworden. Sie ist einerseits viel ruhiger geworden („Hektik macht Bienen verrückt“), zugleich fröhlicher und voller Tatendrang. Für die Töchter passt‘s, sie lieben Haus und Hof: Eine von ihnen übernimmt die Parkettfirma und den Hof.
Inzwischen sind die Stuhlmüllers rundum bienen-fit. Doch das aktuelle Honigjahr hat ihnen einiges abverlangt. Denn heuer gibt es viel Melezitose-Honig, der Schrecken für die Imker. Er wird schon nach drei, vier Tagen steinhart in den Waben. Nicht umsonst heißt er Zementhonig: der so fest ist, dass er sich nicht aus den Waben schleudern lässt. Melezitose ist ein Bestandteil des Honigtaus, den die Bienen im Wald auf Nadel- und Laubbäumen sammeln. Insbesondere Läuse, die viel auf Fichten unterwegs sind, produzieren Honigtau mit hohem Anteil dieses Dreifachzuckers.
Tüftler Peter Stuhlmüller hat eine Gerätschaft entwickelt, um mit Infrarot die Waben vorsichtig zu erwärmen, ohne dass der Honig an Qualität verliert. „Dann bricht die Wabe zusammen. Wachs und Honig laufen heraus. Weil Wachs leichter ist als Honig, bildet es eine schützende Schicht über den Honig. Und den können wir dann unten ablassen“, erklärt Doro Stuhlmüller. Das hat sich herumgesprochen. Viele Imker brachten ihre Zementhonig-Waben zu den Stuhlmüllers, wo Honig und Wachs sauber getrennt wurden. Der Aufwand lohnt sich: Der cremige Melezitose-Honig ist eine Köstlichkeit.
Honig für alle: Jetzt beginnt die Marktsaison
Im Hof musste ein Zelt aufgestellt werden, um die Waben der vielen Imker zu lagern. Doro Stuhlmüller hinkt wegen des Ansturms mit den eigenen Vorbereitungen für den Winter sechs Wochen hinterher. Im November und Dezember ist sie auf Weihnachtsmärkten vertreten, etwa dem Christkindlmarkt in Pasing. Aber die bienenfleißige Frau hat längst weitere Pläne: Mit ihrer ältesten Tochter lässt sie sich im Bereich „soziale Landwirtschaft“ ausbilden: Sie wollen demente und behinderte Senioren betreuen, mit ihnen Plätzchen backen, auch übers Imkern und die Bienen schwärmen. Doro Stuhlmüllers Begeisterung ist ansteckend. Man spürt: Sie hat ihre Berufung gefunden.
CLAUDIA MÖLLERS