Ein Leben für die Toleranz

von Redaktion

Der BR sendet ein großes „Lebenslinien“-Porträt über Szene-Wirt Dietmar Holzapfel

Dackel Tino ist immer dabei (li.). Auf dem Arm vor dem eigenen Hotel, der Deutschen Eiche, oder auch mit bunt verkleidetem Herrchen beim Christopher Street Day. © Markus Götzfried, Achim Schmidt

Dietmar Holzapfel ist mit seinem Mann Sepp Sattler seit 47 Jahren zusammen. © Marcus Schlaf

München – „Dietmar Holzapfel – Vom Lehrer zum queeren Szene-Wirt“ heißt die aktuelle Folge der BR-„Lebenslinien“. Dabei ist der Protagonist viel mehr als Gay, Pädagoge und Wirt der Deutschen Eiche an der Reichenbachstraße: Er ist Vermittler zwischen den Welten, Botschafter zwischen klassischen Schwulen, Lesben und Heteros, zwischen Konservativen und Kunterbunten. „Ich habe wohl versöhnendes Talent und Empathie“, sagt Holzapfel, „ich kann mich auch in die Situation zum Beispiel eines Markus Söder hineinversetzen. Man muss Vertrauen in die Menschen haben“. Vielleicht wird er deshalb vom Ministerpräsidenten mit Handschlag begrüßt, wo andere nur ein Nicken bekommen – so geschehen auf der Wiesn im Schottenhamel.

Die Münchner kennen Holzapfel als politisch und gesellschaftlich umtriebigen Zeitgenossen. Er sammelt Geld für ein Kini-Denkmal auf der Corneliusbrücke, setzte ein Freddie-Mercury-Denkmal an seiner Hauswand durch und verteidigte vor allem die Stadtrats-CSU, als diese von der Polit-Parade zum Christopher Street Day ausgeschlossen wurde. „Wie kann man sich gegen Ausgrenzung engagieren und dann selbst ausgrenzen?“, fragte er die Veranstalter.

Doch „Lebenslinien“-Regisseurin Tanja von Ungern-Sternberg hat in ihrem Film einen anderen Fokus gesetzt: Sie erzählt die Liebesgeschichte des Wirts. Schließlich ist er seit 47 Jahren mit seinem Mann Josef Sattler zusammen. Die Zuschauer sehen auf einem alten Foto, wie die beiden sich 1978 auf einer Jugendfreizeit „schockverlieben“, so Holzapfel. Sie folgen dem Paar in eine Dreier-WG mit Dietmars Adoptivvater Niki Holzapfel (der biologische Vater war gewalttätiger Alkoholiker), sind beim Kauf der Deutschen Eiche 1994 genauso dabei wie bei der Hochzeit 2001 und der Adoption ihres erwachsenen Sohns 2017. Auch schwere Zeiten kommen in der Doku zur Sprache, zum Beispiel die Zweifel des jungen Dietmar, dem als Schüler seine Homosexualität solche Sorgen bereitet, dass er einen Selbstmordversuch unternimmt. Oder einige Monate im Jahr 2013, als Ärzte bei Holzapfel fälschlicherweise Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostizieren und er mit Sepp schon unter Tränen sein Ableben plant. Doch er ist gesund! Das ergeben neue Tests. „Nach der ersten Freude war ich richtig sauer“, erinnert sich Holzapfel.

Heute sind Dietmar Holzapfel und Sepp Sattler 67 und 70 Jahre alt – und noch keineswegs gesetzte Herrschaften. „Golf ist nichts für uns“, konstatieren sie, „das haben wir schon ausprobiert. Sepp hat damals 300 pinkfarbene Golfbälle gekauft, die wir alle im Garten verschossen haben. Die tauchen heute noch in den wildesten Ecken auf.“ Stattdessen arbeiten sie voller Kraft in der Eiche, bereiten etwa das alljährliche Silvesterrätsel vor, bei dem sich die Gäste traditionell kennenlernen. „Als Wirt habe ich die Chance, Menschen zusammenzubringen“, sagt Holzapfel, „so habe ich schon mehrere Erzkonservative verändern können.“ Und: „Ich denke da immer ans Gleichnis vom verlorenen Sohn. Jeder kann sich ändern und ein Verständnis für Menschen entwickeln, die anders sind, wenn man ihn willkommen heißt.“ Ausstrahlung ist am Montag, 11. November, um 22 Uhr im BR (vorab in der BR-Mediathek).
I. WINKLBAUER

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