Karriere in Ostdeutschland: Jürgen Böhm ist nun Berufspolitiker. © rk
München/Magdeburg – Jürgen Böhm (59) war über viele Jahre aktiver Realschullobbyist in Bayern. Er leitete die Realschule in Arnstorf/Niederbayern, baute sie zu einer digitalen Vorzeigeschule aus. Daneben war er Chef des Bayerischen Realschullehrerverbands und seit 2010 sogar Bundesvorsitzender. 2023 dann der Wechsel in die Politik: Böhm wurde, für viele überraschend, zum Staatssekretär im Kultusministerium unter Ministerin Eva Feußner (CDU) in Sachsen-Anhalt berufen. Seitdem hat der parteilose Bildungspolitiker auch einen Wohnsitz in Magdeburg. Da seine Familie in Bayern geblieben ist, pendelt er jedoch oft nach Bayern. Wir sprechen mit ihm während seiner Fahrt nach Bielefeld – eine Konferenz über Start-ups im Bildungssektor, sehr spannend, wie Böhm sagt.
Was sind denn Ihre Aufgaben als Staatssekretär?
Ich bin gleichzeitig Amtschef des Ministeriums, also der oberste Beamte, und führe die innere Verwaltung im Haus. Das ist ein wesentlicher Unterschied etwa zu Bayern, da es im Münchner Kultusministerium ja einen eigenen Amtschef gibt und parallel dazu – bis vor Kurzem – auch einen Staatssekretär. Ich habe also eine Doppelfunktion. Politisch vertrete ich die Ministerin in allen Bereichen. Da gibt es keine Spezialisierung, ich muss Allrounder sein.
Das Schulsystem in Sachsen-Anhalt unterscheidet sich ja doch stark von dem in Bayern. Vor allem gibt es keine eigenen Realschulen, was Sie ja schmerzen muss. Würden Sie das gerne ändern?
Da würde ich lügen, wenn ich sage, das habe ich aus den Augen verloren. Man muss aber die föderalen Gegebenheiten beachten. Sachsen-Anhalt hat ein differenziertes, also kein Einheits-Schulsystem, das möchte ich schon betonen. Aber Sie haben Recht: Die Schulformen sind etwas anders strukturiert. Es gibt zum Beispiel Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien – Realschulen als eigene Schulform gibt es nicht, in der Sekundarschule 1 verzweigt es sich aber ab der 7. Klasse, der Realschulzweig ist da klar erkennbar und man kann einen Realschulabschluss machen. Die Bedeutung der mittleren Bildungsabschlüsse wird auch hier immer höher eingeschätzt.
Welche Herausforderungen gibt es – das Ausbluten von kleinen Orten?
Sachsen-Anhalt hat drei große Zentren: Halle, Magdeburg und Dessau – dazwischen ist viel flaches Land, und ja, es gibt einen großen Strukturwandel schon seit den 1990er-Jahre. Damit kämpfen wir. Die Herausforderung mit der Beschulung von Migranten haben wir genauso wie auch die Abwanderung und Geburtenrückgang.
Müssen Grundschulen schließen?
Nein, das gab es früher, aber diese Phase ist vorbei. Wir wollen keine Schulen schließen. Stattdessen muss es mehr Kooperationen kleinerer benachbarter Schulen geben, Verbünde, etwa mit gemeinsamen Schulleitungen.
Sie sind gebürtiger Thüringer, jetzt sind Sie Sachsen-Anhalter. Gibt es da eigentlich große Unterschiede?
Nein. Ich fühle mich hier nicht fremd. Ich bin letztlich wieder angekommen in alten Gefilden. Ich war immer gesamtdeutsch unterwegs. Ich habe immerhin 26 Jahre meines Lebens in Mitteldeutschland zugebracht, meine Eltern leben noch in Thüringen, ein Teil der Familie. Ich war nie so richtig weg von der Mentalität.
Vermissen Sie Bayern?
Eigentlich nicht, ich bin ja noch oft hier. Meine Frau arbeitet und lebt weiter im Rottal in Niederbayern, ich pendle also an den freien Wochenenden.
2026 ist Landtagswahl. Wollen Sie Berufspolitiker werden und kandidieren?
Nein, ich sehe mich als Fachpolitiker, würde das auch gerne fortsetzen.