„Wir teilen alles“

von Redaktion

Zum Martinstag sprechen Zwillinge übers Geben und Nehmen

Partnerlook: Leonie und Sarah Brand als Kinder. © privat

Die Zwillinge Leonie und Sarah Brand teilen fast alles. Streit gibt es nie. Es wird sich höchstens mal um Klamotten gezankt. © Achim Frank Schmidt

Wolfratshausen – Dass Teilen nicht nur schön, sondern auch lukrativ ist, wussten Leonie und Sarah Brand schon als kleine Mädchen. „Hätte sich nur eine von uns die Riesenschaukel gewünscht, hätte sie sie wohl nie geschenkt bekommen“, erzählt Sarah Brand und lacht. „Also haben wir unseren Eltern gesagt, wir wünschen uns die Schaukel zusammen.“ So stand die Riesenschaukel pünktlich zum Geburtstag der Zwillinge im Garten in Wolfratshausen. Auf dem Tisch aber standen zwei Torten – damit jede Kerzen auspusten konnte.

Die Tradition mit den zwei Torten wird bis heute gepflegt. „Inzwischen wünschen wir uns aber unterschiedliche“, sagt Leonie. „So machen wir das auch, wenn wir im Restaurant sind: Wir bestellen uns zwei Gerichte und teilen sie. So kann man ja viel mehr probieren.“

Der Interviewtermin ist der Beweis. Erst teilen sich die Brands eine Flasche Johannisbeersaft, dann ein Wasser. Leonie nimmt das Glas mit der rechten Hand, Schwester Sarah mit der linken. Leonie fällt ihr langes braunes Haar ins Gesicht, Sarah hat es sich sicher hinter die Ohren geklemmt. Die Sommersprossen tanzen jeder in einem anderen Muster um die Nase, sonst aber gleichen sie sich bis in die Haarspitze. Bei manchen Fotos müssten sie selbst überlegen, wer wer ist. Wie ist es, ein Gesicht zu teilen, ja, immer in sein Spiegelbild zu schauen?

„Wir sind es ja nicht anders gewohnt, aber ich sehe bis heute nur Vorteile. Da weiß man immer, welches Kleidungsstück einem steht – und, was man sich besser nicht nachkauft“, sagt Sarah und lacht. Lässige Turnschuhe, schwarze Leggins, ein beiger Strickpulli – heute tragen die Brands Partnerlook. „Jede hat ihren eigenen Schrank, aber viele Stücke sind identisch“, erklärt die 32-Jährige. „Oft sitzen wir ohne Absprache im gleichen Outfit am Frühstückstisch.“ Ein Modegeschmack. Fisch dagegen hat Leonie noch nie so gerne gegessen wie Sarah.

Die Brand-Zwillinge haben sich schon vieles geteilt. Am Anfang den Bauch ihrer Mama, später ein Kinderzimmer und die Schaukel im Garten. Heute teilen sie sich eine Wohnung in München und sogar den Job. Die Schwestern haben Tourismusmanagement mit Schwerpunkt Umwelt studiert und 2021 in Wolfratshausen einen Rikscha-Service gegründet. Sie bieten nicht nur Rundfahrten an, sondern sind auch für Besorgungsfahrten buchbar.

Im Geschäft gibt viel zu tun. Leonie sorgt im Büro für Struktur. Sarah strampelt im Zweifel lieber durch die Natur, will aber allen Projekten den letzten Schliff geben. Immer. Sorgt das für Streit? „Nein, wir ergänzen uns so ja perfekt“, sagen sie. Aber wann hängt der Haussegen in der heilen Zwillingswelt überhaupt mal schief? Immer dann, wenn die zwei Pläne nicht teilen. Dann, wenn beide das eine gemeinsame Auto bräuchten. Wenn beide die eine schicke Handtasche ausführen wollen, die sie damals im Spanienurlaub aber nur einmal gekauft haben.

„Wir finden aber schnell Kompromisse“, sagt Leonie, die Erstgeborene. „Ich weiß ja, was meine kleine Schwester nervt und was ihr wichtig ist.“ Ihr älterer Bruder David muss in der Dreier-WG ohne Zwillingsbonus leben. „Den letzten Joghurt würde ich wohl nur mit Sarah teilen“, sagt Leonie und lacht. „Sonst sind wir aber auch als Geschwister ein gutes Team.“ Gerade suchen die Schwestern nach einer neuen Wohnung, Davids Freundin zieht für sie ein. Beim Umzug wird zusammengeholfen. Gut, dass die Zwillinge auch ihren Freundeskreis teilen.

Nur in einer Sache gibt es keinen Kompromiss. „Wir teilen alles, nur die Männer nicht“, sagen Leonie und Sarah. Erst lachen sie, dann werden sie ernst. „Sobald eine von uns wieder einen Freund hat, muss auch er teilen. Wir sind immerhin beste Freundinnen.“ Acht Wochen verbrachten sie mal ohneeinander, als Frühchen in getrennten Brutkästen. Ihre Eltern erzählen noch oft davon. „Ich glaube, uns liegt Teilen im Blut“, sagt Leonie. „Geteilte Freunde ist doppelte Freude, geteiltes Leid ist halb so schlimm.“
CORNELIA SCHRAMM

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