Weniger Geld für Familien

von Redaktion

Direkt-Zahlungen werden halbiert – Mittel fließen in Strukturen

Bayerische Familien müssen künftig mit deutlich weniger Unterstützung vom Freistaat auskommen. © Imago

München – Der Facebook-Beitrag aus dem September 2018 zeugte von ehrlichem Zorn. „Söders ,Familiengeld‘ ist ein absoluter Schuss ins Knie!“, wetterte der Autor. Die Unterstützung für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr fließe zu oft ins Ausland. Viel sinnvoller sei es, das Geld – statt es direkt auszuzahlen – für kostenfreie Kitas zu verwenden. Der Autor des Beitrags hieß Hubert Aiwanger. Zwei Wochen später musste der FW-Chef mit der CSU über eine Koalition verhandeln. Und weil die Steuereinnahmen sprudelten, wurden am Ende einfach beide teuren Wahlkampfversprechen umgesetzt. Es gab Familiengeld UND Zuschüsse für den Kitabeitrag. Dazu kam mit dem Landespflegegeld noch eine weitere Sozialleistung, wie es sie nur in Bayern gibt.

Gestern nun hat die Staatsregierung überraschend einen Kurswechsel bei diesen Prestigeprojekten eingeläutet. Einen, der wahrlich nicht leicht zu kommunizieren ist. Man wolle nicht sparen, heißt es – die Posten für Familien- und Pflegeförderung blieben gleich. Aber: Man regelt die Verwendung des Geldes neu. Die Auszahlung an die Familien halbiert sich. Konkret sieht das finanziell so aus:

Familiengeld: Bislang gab es eine monatliche Auszahlung von 250 Euro vom 13. bis zum 36. Lebensmonat hinweg, ab dem dritten Kind sogar 300 Euro. Das bedeutete über zwei Jahre 6000 beziehungsweise 7200 Euro – unabhängig vom Einkommen. Ab 1. Januar 2026 wird das Geld nur noch einmalig ausgezahlt: Am 1. Geburtstag des Kindes, wenn das Elterngeld des Bundes endet, bekommen Eltern 3000 Euro. Entfallen soll auch das Krippengeld. Bislang werden Elternbeiträge für die Krippe mit 100 Euro pro Kind und Monat vom Freistaat bezuschusst.

Pflegegeld: 400000Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 bekommen in Bayern pro Jahr 1000 Euro zusätzlich. Auch hier geht die Staatsregierung kräftig ran. 2026 gibt es durch eine Änderung des Auszahlungszeitpunkts (künftig soll das Geld rückwirkend für das Vorjahr bezahlt werden) überhaupt kein Geld. Ab 2027 fließen nur noch 500 statt bislang 1000 Euro.

1,2 Milliarden Euro hat der Freistaat bislang in diese direkten Zahlungen gesteckt. Nun soll die Hälfte davon in die Infrastruktur fließen, was die Opposition teils immer gefordert hatte. Der Bedarf an Kitaplätzen, aber auch in der Pflege wächst. „Wir setzen eine neue Balance“, sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Das gesparte Familiengeld komme nicht nur dem Kitaausbau, sondern auch der Betreuung und dem Personalschlüssel zugute. Bei der Pflege fließe das frei werdende Geld in Tages-, Kurzzeit- und Nachtplätze. „Das ist für pflegende Angehörige zum Teil eine mindestens ebenso große Entlastung“, sagt der Ministerpräsident.

Leicht zu kommunizieren wird die Entscheidung nicht. Von der Opposition kommt schon harsche Kritik: „Das ist der Einstieg in echte Kürzungen ausgerechnet bei den Familien“, sagt Doris Rauscher (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag. Auch der Sozialverband VdK übt massive Kritik. Die Entscheidung „bedeutet für die betroffenen Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen eine deutliche finanzielle Verschlechterung“, warnt die Vorsitzende Verena Bentele. „Anders als von Markus Söder ausgeführt, wird direkt und zuerst im sozialen Bereich gespart und das genau an der falschen Stelle.“ Betroffene bekämen weniger Geld und sollten auf die Fertigstellung neuer Strukturen irgendwann in der Zukunft hoffen, von denen viele von ihnen wegen ihres fortgeschrittenen Alters gar nicht mehr profitieren könnten.

Söder sagt dagegen, man handle aus „Vernunft“. Die Diskussion, ob die Prioritäten richtig gesetzt seien, laufe schon länger. Der soziale Betrag bleibe hoch – er werde nur neu verteilt.
MIKE SCHIER