Da war er noch dafür: Markus Söder präsentiert im MVG-Kundencenter im März 2023, noch vor der Einführung, das erste Deutschlandticket. © Staatskanzlei
Mit dem Deutschlandticket kann man unbegrenzt S-Bahnfahren. © SIGI JANTZ
München/Berlin – Der Streit schien schon vorüber, jetzt ist er wieder voll entbrannt. Nachdem sich die Verkehrsminister der Länder erst im Herbst auf den Fortbestand des Deutschlandtickets geeinigt hatten, steht es jetzt doch wieder auf der Kippe. Mehreren Unionspolitikern ist das Ticket plötzlich lästig, allen voran Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Unser Ziel ist es, eine Änderung am Deutschlandticket herbeizuführen“, sagte er am Dienstag. Der Bund müsse das Ticket künftig alleine zahlen, weil es ja auch eine Erfindung aus Berlin sei, sagte er sinngemäß. Bayern koste das Ticket im Jahr 400 Millionen Euro. 300 Millionen davon könnten ja künftig in die Infrastruktur fließen, schlug Söder vor. Mit 100 Millionen ließe sich noch ein „Ferienticket“ im Sommer für 49 Euro finanzieren – für einen Monat, nicht für ein Jahr.
Die Reaktion war fast vorhersehbar: Wut, Protest, Appelle. SPD und Grüne dringen auf den Fortbestand des Tickets. „Da muss die Union Farbe bekennen“, sage die SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast. „Das Deutschlandticket ist ein Liebling von Millionen Menschen“, betonte SPD-Chef Lars Klingbeil auf „X“. „Und das will die Union wirklich beenden? Interessant.“ Bayerns SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer sprach von „blinder Sparwut“. Der Bundesverband Schienennahverkehr appellierte: Man müsse „durchhalten und an dem Erfolg des bundesweit gültigen Tickets weiterarbeiten“. Aggressiver die Grünen: „Herr Söder will 13 Millionen Menschen das beliebte Ticket aus der Hand schlagen“, warnte der bayerische Grünen-Verkehrspolitiker Markus Büchler. „Das Deutschlandticket dient nicht dem Freizeitvergnügen, wie er unterstellt, sondern vereinfacht Mobilität enorm.“ Er sehe nur Vorteile, das Ticket bremse sogar die Inflation. Das Geld lasse sich auch durch Abstriche bei Dienstwagensubvention und Straßenneubau auftreiben. „Genau das wollen wir Grüne.“
Momentan ist der Koalitionspoker voll entbrannt. Bund und Länder haben im September vereinbart, dass der Preis ab Januar 58 Euro beträgt und sie das Ticket mit jeweils 1,5 Milliarden Euro finanzieren, insgesamt also mit drei Milliarden Euro. Diese Summe steht also fest. Da das Ticket höchstwahrscheinlich aber mehr kostet, soll der Bund Restmittel, die er 2023 und 2024 nicht verbrauchte – insgesamt mehrere hundert Millionen Euro – auf 2025 übertragen. Dazu muss ein Gesetz („10. Änderungsgesetz zum Regionalisierungsgesetz“) im Bundestag beschlossen werden, was trotz vieler mündlicher Zusicherungen noch nicht geschehen ist. Übrigens zum Entsetzen der Länder. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), kein Freund des Billig-Tickets, drang seit Langem darauf – vergebens.
Nach dem Bruch der Ampel wollen die einstigen Koalitionäre jetzt schauen, ob das Gesetz quasi in letzter Minute doch noch in einem parteiübergreifenden Konsens verabschiedet werden kann. Der SPD-Bundestags-Fraktionsvize und Verkehrspolitiker Detlef Müller betonte gegenüber unserer Zeitung, er wolle ab heute „in Vier-Augen-Gesprächen mit CDU/CSU und FDP über das Ob und Wie“ beraten. Am schwierigsten dürfte das mit der Union werden, denn auch Fraktions-Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) hat sich schon gegen die Fahrkarte positioniert. Der FDP-Abgeordnete Karsten Klein, der die bayerische Landesgruppe der Liberalen führt, zeigte sich nicht grundsätzlich ablehnend, aber doch zurückhaltend: Beim Verkehr seien „noch mehrere Themen offen“, sagte er unserer Zeitung. „Wir prüfen jetzt jede Vorlage auf Zukunftsfähigkeit.“ Abschließend, so Klein, stehe aber noch kein Votum fest. Sollte am Ende keine Einigung zustande kommen, geht MVV-Chef Bernd Rosenbusch davon aus, dass im Laufe von 2025 das Geld für das Deutschlandticket ausgeht und es – etwa im Herbst – abgeschafft werden muss.
Aber auch mit Einigung auf das Gesetz wäre das Geld ja nur für 2025 gesichert. Falls die Union die Wahl gewinnt, beginnt die Diskussion erneut.
DIRK WALTER