Zehn Politiker, ein Tattoo

von Redaktion

Landtagsabgeordnete werben mit Aktion für Organspenden

Marina Jakob (FW) hat sich das Symbol auf den Knöchel tätowieren lassen. © Oliver Bodmer (3)

Das Symbol: zwei Halbkreise, die ein Ganzes werden.

Viel Aufmerksamkeit für seine Tätowierung – so hat Thomas Zöller (FW) sich das gewünscht. Er wirbt für Organspenden.

München – Trotz eisigem Novemberwind hat sich Thomas Zöller am Mittwochmorgen für ein kurzärmliges Hemd unter seinem Sakko entschieden. An diesem Tag ist nackte Haut gefragt. Der Freie-Wähler-Abgeordnete und Patientenbeauftragte der Staatsregierung hat am Vormittag einen Termin im Hola Papaya Tattoo Atelier im Münchner Glockenbachviertel. Und nicht nur er, auch neun weitere Landtagsabgeordnete möchten sich tätowieren lassen. Alle mit demselben Symbol: zwei Halbkreise, die zu einem ganzen Kreis werden. Das Symbol steht für Organspenden. Mit der Aktion will Zöller mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.

1200 Menschen in Bayern warten dringend auf ein Spenderorgan. In den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es aber nur 118 postmortale Spender. „Viel zu wenig“, betont Zöller. Die Zahl der Organspender stagniert. Er möchte einen Beitrag leisten, um das zu ändern. In Berlin will der Bundestag über eine Widerspruchslösung abstimmen. „Doch da stagniert jetzt alles“, sagt Zöller. Obwohl es bei dieser Abstimmung keine Fraktionslinie gibt, jeder entscheidet für sich. Zöller und seine Freie-Wähler-Fraktion in Bayern würden sich eigentlich eine Erklär-Lösung wünschen. Dann müsste jeder Mensch entscheiden, was im Todesfall mit seinen Organen passieren soll. Bis zu diesem Gesetz sei es aber ein weiter Weg, sagt er. Deshalb wäre der erste Schritt die Widerspruchslösung. Jeder, der nicht aktiv widersprochen hat, wäre dann Organspender.

Die Tätowiererin Peshy desinfiziert die Innenseite von Zöllers rechtem Oberarm. Dann ertönt das leise Surren des Liners, mit dem sie die erste Linie zeichnet. Für Zöller ist es nicht das erste Tattoo. Seiner Leidenschaft, der Rassegeflügelzucht, hat er bereits eine Wade gewidmet. Das neue Motiv ist deutlich einfacher und kleiner. Und diesmal hat Zöller ein großes Publikum, das ihn ablenkt. Einige der anderen Abgeordneten sind dabei und zahlreiche Journalisten. Maximale Aufmerksamkeit, so wie der 56-Jährige es sich erhofft hatte. Als Peshy nach einer Viertelstunde fertig ist und die frische Tätowierung mit einem Pflaster abklebt, lächelt Zöller nochmal in alle Kameras. „Hat nicht weh getan.“

Die nächste in der Reihe ist Andrea Behr (CSU). Auch sie hat schon einige Tattoos, alle auf der rechten Bauchseite. Und dort ist auch für das Organspendesymbol noch Platz. Behr ist Zahnärztin. Als Medizinerin weiß sie um den Wert von Organen – aber auch, wie sehr es Familien belastet, auf ein Spenderorgan warten zu müssen. „Den Organspendeausweis habe ich seit über 20 Jahren“, sagt sie. Nun möchte sie auch mit einem Tattoo zeigen, wie sehr sie dahintersteht. Die Tätowierung ist ein Symbol, ersetzt den Ausweis aber nicht.

Mit im Studio ist an diesem Tag auch Angela Ipach. Sie ist Geschäftsführerin und Mitgründerin des Vereins Junge Helden, der die kostenlosen Organspende-Tattoo-Aktionen organisiert. Zöller hatte zu dem Verein Kontakt aufgenommen und den Termin für die Abgeordneten vereinbart. 750 Tattoo-Studios in ganz Deutschland haben sich an der Organspende-Aktion beteiligt, berichtet Ipach. „Und mehr als 10 000 Tattoos sind für die Kampagne in den vergangenen knapp zwei Jahren bereits gestochen worden.“ An diesem Mittwoch sind zehn weitere dazugekommen.

Nach Andrea Behr ist Felix von Zobel (FW) dran. Er lässt sich das Symbol hinter das Ohr tätowieren. Seine Parteikollegin Ulrike Müller schaut dabei zu. Für sie ist es heute die erste Tätowierung. Sie will im letzten Moment entscheiden, ob sie das Symbol auf dem Oberarm oder auf dem Knöchel haben möchte. Über diese Frage hat sie deutlich länger nachgedacht, als vor vielen Jahren über die Entscheidung, einen Organspendeausweis auszufüllen.
KATRIN WOITSCH

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