Der Bauernaufstand vor 500 Jahren

von Redaktion

Ausstellungsmacher: Christoph Engelhard, Fabian Fiederer, Rainhard Riepertinger. © dw

Im Haus der Kramerzunft in Memmingen wird ein Teil der Ausstellung gezeigt.

„Dye grundtlichen vnd rechten haupt artickel“, so steht es auf dem Deckblatt der „12 Artikel“. © hdbg

Wo die „12 Artikel“ entstanden: Wandmalerei am Haus der Kramerzunft in der Stadtmitte von Memmingen. © Martin Egg/Wikipedia

Memmingen – Es dauert ein bisschen, bis man sich in die alte Schrift einliest. Es sei „bißher jm brauch gewesen, daß kayn armer man net gewalt gehabt hatt, das willpret, gefligel oder fisch in fliessenden wasser nit zu fachen“, was „uns ganz unzymlich und unbrüderlich dunckt“. So beginnt der vierte von zwölf Artikeln, in denen die Bauern im März 1525 über Missstände und Ungerechtigkeiten berichteten – und wie hier ganz konkret klagten, dass sie beispielsweise weder Wildbret noch Geflügel noch Fische jagen durften. Die „12 Artikel“ sind das wahrscheinlich bekannteste Dokument zum Bauernkrieg, der im Frühjahr 1525 im Allgäu, in Tirol, Elsass, Franken bis hinauf nach Thüringen entbrannte und nach Schätzung von Historikern etwa 70 000 Aufständischen das Leben kostete. Der Memminger Oberbürgermeister Jan Rothenbacher nennt die „12 Artikel“ die „Magna Charta“ des Aufstands, schließlich hätten die Bauern hier „grundlegende Grund- und Freiheitsrechte“ gefordert. Im dritten der „12 Artikel“ heißt es dazu wörtlich, dass die Bauern „frey seyen vnd wo(e)llen sein“.

Memmingen ist 500 Jahre nach dem Aufstand ab 16. März (bis 19. Oktober) Standort einer Bayernausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte. „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“, lautet ihr Titel. Ihr Highlight zweifellos: ein Originalexemplar der „12 Artikel“.

Als Flugschrift verbreiteten sich die „12 Artikel“ 1525 rasant schnell – Rainhard Riepertinger, stellvertretender Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, nennt etwa 20 000 Exemplare als Größenordnung. Erhalten sind heute vielleicht noch zwei Dutzend – und zwei davon liegen just im Memminger Stadtarchiv, ein Druck aus Augsburg und einer aus Straßburg. „Man muss es sich ein bisschen wie ein Schulheft vorstellen“, sagt der Memminger Archivar Christoph Engelhard. „Wir wissen gar nicht, woher sie stammen. Es ist aber ein Schatz, wenn man so was ausstellen darf.“ Zwölf Seiten umfasst die Flugschrift, die ursprünglich von Sebastian Lotzer, einem Memminger Bürger und Feldschreiber eines aufständischen Bauernheeres, des Baltringer Haufens, verfasst worden war. Wahrscheinlich landeten die Memminger Originale über eine Schenkung oder einen Ankauf weit vor seiner Zeit im Stadtarchiv, nimmt Engelhard an. Jedenfalls war es nicht so, dass die Stadtväter 1525 die Flugschrift einfach zu den Akten genommen hätten.

Ausgehend von der Programmschrift will die Ausstellung den Bauernkrieg erklären. Das ist spannend, weil in Bayern an die Unruhen vor 500 Jahren kaum erinnert wird. Nur in Leipheim bei Günzburg, wo Bauarbeiter 1994 auf 26 skelettierte Opfer der ersten Schlacht stießen, gibt es ein kleines Bauernkriegsmuseum. Und nun bald – zumindest ein halbes Jahr – in Memmingen.

Am historischen Ort, der Kramerzunftstube in einem alten Memminger Stadthaus, wo sich am 7. März 1525 Bauern zu einem Bündnis zusammengeschlossen hatten, erklärt Projektleiter Fabian Fiederer das Konzept. Es geht um das Leben auf dem Land vor 500 Jahren, um Sorgen und Nöte, es geht um die Reformation, ohne die der Bauernaufstand nicht erklärbar ist, es geht um Schlachtfelder, die es im Allgäu und in Oberschwaben wohl zuhauf gab. „Wir wollen auch zeigen: wer steht sich wie bewaffnet gegenüber“, sagt der Historiker Fiederer.

Auch die Folgen des Bauernkrieges werden beleuchtet. Dachte man früher, die in den Schlachten heillos unterlegenen Bauern seien sozusagen mit Stumpf und Stiel aus der Geschichte getilgt worden, so urteilt man heute differenzierter: Es wurden Verträge geschlossen, die Bauern erhielten Erleichterungen, konnten beispielsweise ihre Pfarrer selbst bestimmen, – die freie Pfarrerwahl war eine der Forderungen in den „12 Artikeln“. Und dann sollen noch – gewagt, aber reizvoll – Parallelen bis in die Gegenwart gezogen werden. Die Kramerzunftstube mit ihrer Original-Holzdecke aus dem 15. Jahrhundert wäre für all das zu klein, sie wird aber mit einbezogen. Der Hauptteil findet im nahen Dietrich-Bonhoeffer-Haus statt. Die Stadt Memmingen wird das Gedenkjahr mit Vorträgen, Festen und Lichtinstallationen begleiten.

Noch eine Besonderheit gibt es: Der Eintritt in die Bayern-Ausstellung ist kostenlos. Wäre ja auch komisch, für eine Freiheitsausstellung Geld zu nehmen.

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