Der Terror der Bande „570“

von Redaktion

Hier passierte viel: der Bahnhof von Markt Schwaben. © DZ

Walentina Dahms, Bürgermeisterin. © Esther Bauer

„570“: die Erkennungszahl der Jugendgang. © jödo

Markt Schwaben – Er nannte sich „Pate von Markt Schwaben“ und wie bei der Mafia errichtete K., 19 Jahre alt, eine Herrschaft des Schreckens. K., der mit drei Komplizen derzeit vor dem Landgericht München II steht, ist der Kopf einer Jugendbande mit etwa 20 Mitgliedern, wie es sie nicht oft gibt in Oberbayern. Ihr Zentrum: der 14 000-Einwohner-Ort Markt Schwaben, Kreis Ebersberg. Aber auch in Poing, Erding und im Münchner Osten trieben sie ihr Unwesen – „massiv aggressiv, provokativ und brutal“. So sieht es die Staatsanwaltschaft.

„MS Crew570“, so nannten sich die Burschen mit türkischen, bosnischen und kosovarischen Wurzeln, nach den letzten Ziffern der Markt Schwabener Postleitzahl. Die Zahl schmierten sie an Mauern, kratzten sie in Scheiben. Und vor allem terrorisierten sie die Bürger. Die Liste der Straftaten ist lang, 22 sind aktuell angeklagt. Einige Beispiele: Der Angeklagte H., 17 Jahre alt, bricht Ende 2021 in ein Haus in Berglern ein, klaut Schmuck und ein Laptop für knapp 10 000 Euro. August 2022: Der Angeklagte K. und zwei Spezl locken einen anderen Jugendlichen in einen Keller, schlagen mit den Füßen gegen seinen Kopf, gegen seinen Rumpf und rauben ihn aus. Oktober 2022: K. und H. brechen mit einem Schlagbohrer in ein Haus in Erding ein, stehlen Schmuck, Kleidung und Bargeld für knapp 22 000 Euro. Sie überfallen auch einen Penny-Markt.

Gegenüber Polizisten haben die Angeklagten null Respekt. Bei Kontrollen schreien sie: „Asylant, Spasst, Schwuchtel“. Sie schubsen und schlagen, hinterher brüsten sie sich damit in den Sozialen Medien. Manchmal gehen sie auf Unbeteiligte los. Eine Frau, die mit ihrem Hund in Poing Gassi geht, beleidigen sie, bewerfen sie mit einem Stein. Am Bahnhof in Markt Schwaben pöbelt eine Gruppe um K. eine Clique an, die nach dem Besuch eines Billard-Cafés zur S-Bahn geht. Als die vier Jugendlichen der Situation ausweichen, gehen K. und seine Kumpanen auf ihre Opfer los. Mit Fäusten, Tritten, Pflastersteinen, Flaschen. Ein junger Mann erleidet durch Tritte ein gebrochenes Jochbein und wird so schwer am Auge verletzt, dass er vielleicht erblindet. Der Vorfall ereignet sich am 7. Oktober 2023. Und diesmal wird es eng für die Gang. Einige Wochen später verhaften die Beamten K. und die anderen Angeklagten. Mitte Dezember soll ein Urteil fallen.

Markt Schwabens Bürgermeisterin Walentina Dahms war zum Zeitpunkt der Festnahme noch nicht im Amt, aber sie erinnert sich: „Das war eine große Erleichterung, als die festgenommen wurden.“ Und: „Das war nicht mehr tragbar.“ Viele Eltern in Markt Schwaben ließen ihre jugendlichen Kinder nicht mehr alleine heimgehen. Seit der Festnahme ist es ruhiger geworden, das stellt auch Jan Ostmann fest. Seit 20 Jahren leitet er das Jugendzentrum „Blues“, da kommt es immer mal zu Vorfällen. Das Ausmaß dieser Gang sei aber schon ungewöhnlich. Mit einigen aus der Bande saß er mal an einem Runden Tisch, dabei war auch Polizei und der damalige Bürgermeister: „Eine Zeit lang wurde es besser, aber dann ging es wieder los.“ Er berichtet, dass die Zeit auch für unbeteiligte Jugendliche nicht einfach war. Die Polizei kontrollierte übermäßig viel auf der Straße, „das sorgte bei vielen für Unbehagen“.

Hat Bayern ein Problem mit Jugendbanden? Aus dem Innenministerium heißt es, dass die von gewaltbereiten Jugendgruppen ausgehende Kriminalität regional sehr heterogen verteilt sei, von einem flächendeckenden Trend könne man nicht sprechen. Betroffen seien insbesondere städtische Ballungsräume: Erst kürzlich sorgte eine Jugendgang am Stachus für Schlagzeilen. Die 30 bis 40 Mann starke Gruppe schüchtert Händler und Kaufleute so ein, dass die ihre Stände zwischenzeitlich abbauten.

Aber wie ist es auf dem Land? Daniel Katz vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd sagt: „Wir haben derzeit keinen außergewöhnlichen Brennpunkt, aber jede einzelne Inspektion hat Jugendkriminalität.“ Die Markt Schwabener Dimension haben die Fälle nicht, aber neulich gelang der Polizei in Geretsried ein Schlag gegen eine Gruppe, die die Bevölkerung seit Längerem einschüchterte. 18 Verdächtige wurden ermittelt, der jüngste ist 15. 76 Ermittlungsverfahren sind eingeleitet wegen Vergehen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, Diebstählen, Hausfriedensbrüchen, gefährlicher Körperverletzung, Urkundenfälschungen und, und, und.

Die drei Hauptbeschuldigten aus Geretsried sind 19, 20 und 55. Der Älteste fuhr zum Beispiel das Fluchtauto – für seinen Sohn.

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