Ackern für Berlin

von Redaktion

Vom Getreidefeld zieht es Bauernpräsident Felßner in die bundesdeutsche Politik. Er will Agrarminister werden. © Sven Hoppe

Herrsching – „ZukunftsBauer“ schwebt in weißer Schrift auf grünem Grund über dem Podium der Landesversammlung des Bayerischen Bauernverbands in Herrsching (Kreis Starnberg). Das Motto für die Verbandsarbeit der nächsten Monate könnte auch als Jobbeschreibung für den Mann verstanden werden, der auf dem Podium sitzt: Günther Felßner, bayerischer Bauernpräsident, will Deutschlands Agrarminister werden. Als „Joker“ hat ihn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum potenziellen Landwirtschaftsminister gekürt. Jetzt präsentiert er sich erstmals nach dem Überraschungscoup seinem Bauernparlament.

Zuversicht und Mut will Felßner mit seiner Rede in seinen Berufsstand und die Gesellschaft senden. 20 Minuten sind dafür vorgesehen, er nimmt sich doppelt so viel Zeit, um seine Vorstellungen von einer umfassenden Agrarpolitik darzulegen. „Wir brauchen Freiheit und Wohlstand – was wir nicht brauchen, ist eine Alternative zu Freiheit und Rechtsstaatlichkeit“, zeigt sich Felßner staatstragend. Der Verunsicherung der Menschen und ihrem fehlenden Vertrauen in die gescheiterte Ampel-Regierung will er begegnen: „Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens, keinen Streit. Mut zur Forschung, neue Lust zur Leistung.“ Felßner kennt die Vorwürfe, die ihm von der Opposition, aber auch von einigen Bauernkritikern entgegengehalten werden: Dass der Bauernverband durch Felßners Kandidatur seine politische Neutralität aufgibt. „Der Verband ist politisch unabhängig, darauf legen wir Wert und darauf sind wir stolz“, versichert der Bauernpräsident, der sein Verbandsamt aufgeben wird, sollte er nach Berlin gehen.

Hört man in den Verband hinein, zeigen sich Vertreter überrascht von Felßners Kandidatur. Zutrauen würden sie ihm das Amt schon. „Er ist ein Kämpfer für die Sache“, sagt die frühere Landesbäuerin Anneliese Göller. Wolfgang Scholz, Kreisobmann von Weilheim-Schongau ohne Parteibuch, kennt die Bedenken zur fehlenden Unabhängigkeit, findet sie auch nicht ganz unbegründet: „Aber aus Gründen der Un-Parteilichkeit da nicht mitspielen zu wollen, wäre falsch.“ Martin Wendl, Kreisobmann von Neuburg-Schrobenhausen, sitzt für die Grünen im Kreistag. Er hat keine Bauschschmerzen wegen Felßners Kandidatur: „Im Verband sind verschiedene politische Richtungen vertreten. Wir sind nicht auf eine Partei festgelegt.“

Deutliche Unterstützung kommt sogar von Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), die selbst als mögliche Kandidatin für Berlin gehandelt wurde. „Die Kandidatur von Günther Felßner ist goldrichtig. Es ist genau das richtige Signal in schwierigen Zeiten“ – ein Angebot an die Landwirtschaft, den Mittelstand und „gegen jede Form von radikalen Tendenzen“. Die Verunsicherung der Bauern sei unglaublich groß, daher brauche man jetzt jemanden, der die Sprache der Bauern spricht. Felßner und sie seien sich nicht immer einig gewesen, räumt die Ministerin ein. Aber: „Ich würde unsere Werte und unser Verständnis für eine bäuerliche Landwirtschaft in Berlin bestens vertreten sehen, und dafür hat er auch meine persönliche, 1000-prozentige Unterstützung.“ Den Vorwurf des Lobbyismus weist sie zurück: „Das, was bei uns mit Lobbyismus diffamiert wird, ist bei den Ampelparteien der Experte.“ Schließlich habe die Grüne Annalena Baerbock die Greenpeace-Aktivistin Jennifer Morgan zur Staatssekretärin gemacht.

Ganz ohne eine – mit Augenzwickern versehene – Spitze gegen Felßner geht es aber nicht. „Eines kann ich Ihnen schon sagen. Egal, was kommt: Sollten Sie es werden – ich werde mich nie unterwerfen“, sagt Kaniber unter dem Gelächter der Landwirte. Und schickt hinterher, dass es dann im Bauernverband irgendwann auch mal Zeit für eine Präsidentin wäre. Unter den Landwirten in Herrsching herrscht weitgehende Einigkeit: Felßners Kandidatur ist mutig. „Er pokert hoch“, sagt ein Verbandsvertreter. Vor allem aber ist sie ein kluger Schachzug gegen die Freien Wähler, die auch um die Stimmen der Bauern werben.

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