„Das ist klerikale Willkür“

von Redaktion

Sie werden bald Eltern: Magdalena Mösl und ihr Freund Martin Huber. © privat

München – Magdalena Mösl (20) ist fast ein wenig erschrocken darüber, welche Reaktionen die Veröffentlichung ihrer Geschichte in unserer Zeitung ausgelöst hat. Der Übergangspfarrer der Gemeinde Johann Baptist in Bergkirchen (Kreis Dachau) hatte der werdenden Mutter am 4. Dezember erklärt, dass sie nicht mehr als Wortgottesdienstleiterin, Kommunionhelferin und Vorsitzende des Pfarrgemeinderats tätig sein dürfe, weil sie nicht verheiratet ist. Aufgrund der Berichterstattung ist eine heftige Diskussion über das Vorgehen des Pfarrers entbrannt – mit vielen Reaktionen der Rückendeckung für die junge Katholikin.

„Die Rückmeldungen tun gut“, sagte Magdalena Mösl gestern unserer Zeitung. Jetzt wisse sie, dass sie nicht allein damit stehe. Und dass nicht sie, sondern Hauptamtliche in der Kirche hier Fehler gemacht hätten. Ihr sei nicht bewusst gewesen, welche Dimensionen die Geschichte annehmen würde. Aber: Jetzt brauche sie vor allem Ruhe, um sich ganz auf die Geburt ihres Kindes zu konzentrieren.

Unterstützung erhält sie von dem renommierten Kirchenrechtler Thomas Schüller aus Münster. „Ich hätte so etwas 2024 nicht mehr für möglich gehalten“, sagte er unserer Zeitung. Die Nichtübereinstimmung mit der katholischen Hochmoral sei in den 80er-, 90er-Jahren immer noch ein Grund gewesen, warum man kirchenamtlich aus einem Gremium habe herauskatapultiert werden können. „Mittlerweile steht in den entsprechenden Ordnungen, dass derjenige nicht wählbar ist beziehungsweise sein Mandat verliert, der an der Ausübung seiner Gliedschaftsrechte, die aufgrund Taufe und Firmung gegeben sind, durch kirchenamtlichen Bescheid gehindert ist.“ Der Pfarradministrator hätte demnach einen kirchenamtlichen Bescheid des Erzbischofs oder seines Ordinariats vorlegen müssen, um der jungen Frau wegen Nichteinhaltung der katholischen Hochmoral das Mandat entziehen zu können.

Die geltende Ordnung, die der Münchner Erzbischof in Kraft gesetzt habe, sehe vor, dass man sein Mandat aus weiteren schwerwiegend Gründen verlieren kann. Da könnte man mit der katholischen Morallehre argumentieren. „Aber selbst dann muss man ein festes Prozedere einhalten. Auch das hat der Pfarrer nicht getan. So liegt im Ergebnis eindeutig ein Amtsmissbrauch vor, auch ein geistlicher Missbrauch, weil er aus einem Wissen um eine private Situation ein amtliches Handeln ableitet“, urteilt der Kirchenrechtler. Es könne nur eine Konsequenz geben: „Dass Kardinal Marx den Pfarrer sofort seines Amtes enthebt. Das ist ein schwerer Amtsmissbrauch in einer pastoral bedrängenden Situation der jungen Frau, die Mutter wird und gleichzeitig schwer erkrankt ist.“

Kirchenrechtler Schüller nennt das ein „unfassbar unmenschliches Verhalten des Pfarradministrators“, der die junge Frau auf keiner Rechtsgrundlage bedrängt habe, „freiwillig“ auf ihr Amt zu verzichten. Das sei klerikale Willkür. „Der Kardinal muss die Entscheidung des Pfarrers revidieren und die Frau bitten, doch ihr Amt wieder aufzunehmen. Ob sie das tut, ist dann ihre Entscheidung.“ Dieser Vorfall habe unter den „Top Ten der erschreckenden Verhaltensweisen einen vorderen Platz“. Dieser Priester sei nicht mehr tragbar für die Pastoral. Es sei jetzt nicht mehr die Zeit für pastorale Gespräche, sondern für eine Revision der Entscheidung.

Auch in den Laiengremien des Erzbistums rumort es. Diözesanratsvorsitzender Armin Schalk ist schockiert, „im Wesentlichen über die Art und Weise, wie dieses Gespräch zwischen dem Pfarrer und der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden abgelaufen sein soll.“ Dass das Gespräch nicht im Beisein einer weiteren Begleitung, sei es aus dem Pfarrgemeinderat oder durch den Lebensgefährten, stattfinden durfte, „ist ein absolutes No-Go“.

Die Beauftragung zu Wortgottesdiensten oder zum Lektor liege in der Verantwortung des Pfarrers. Das sei eine pastorale Frage. Aber eine Abberufung wegen der Schwangerschaft und ihrer Lebenssituation verbiete sich. In erster Linie sei es nun wichtig, dass Magdalena Mösl mit der Situation gut zurechtkomme und „die maximale Unterstützung bekommt“. Der Gesprächsverlauf müsse analysiert werden. „Ich fordere den Kardinal auf, das zur Chefsache zu machen.“ So könne mit Ehrenamtlichen nicht umgegangen werden.

Hiltrud Schönheit, stellvertretende Vorsitzende des Diözesanrats, nennt den Vorfall „unglaublich“. Magdalena Mösl habe ihre volle Solidarität. Die Ehrenamtlichen versuchten, in ihren Gremien im Sinne des Evangeliums tätig zu sein – „und dann kommt einer und stellt mit einem Federstrich die Bemühungen vieler aus den letzten Jahren in Frage“.

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