Kurven des Elends: So pünktlich war die S-Bahn 2023 und 2024. © Umfrage: Antonia Benz/Fotos: Markus Götzfried
München – Der Sprecher der S-Bahn München baut schon mal vor: „Ganz klar“, schreibt er auf Anfrage unserer Zeitung, „mit der aktuellen Pünktlichkeit können wir nicht zufrieden sein!“ Man bedauere, „dass wir derzeit nicht die Qualität bieten können, die unsere Fahrgäste von uns erwarten.“ Wobei das mit „derzeit“ so eine Sache ist. Bereits 2022 hatte die S-Bahn München einen neuen Tiefstwert bei der Pünktlichkeit erreicht: 90,1 Prozent. 2023 erneut: 90,0 Prozent. Und für 2024 schaut es erneut schlecht aus, wie unsere Zeitung erfuhr. Man könne zwar noch keinen finalen Wert nennen, denn natürlich, das Jahr ist noch nicht beendet. Aber fest steht schon jetzt: Die Pünktlichkeit wird sich „unter dem Vorjahreswert bewegen“. Also bei weniger als 90 Prozent.
Die jetzt schon vorliegenden Daten sind eindeutig. Fast in jedem Monat war die Pünktlichkeit der S-Bahn noch schlechter als 2023. „Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte“ seien die Werte weiter in den Keller gerauscht, heißt es bei der Bahn. So sank die Pünktlichkeit der S7 auf dem Westast Wolfratshausen-Donnersbergerbrücke im Oktober auf 74,9 Prozent. Das heißt, jeder vierte Zug war mindestens sechs Minuten zu spät.
Noch schlechter lief es auf der S4/S6 im Osten, wo im August nur 71,2 Prozent, im September 74,9 Prozent und im Oktober 77,5 Prozent der Züge pünktlich waren – wenn sie nicht ganz ausfielen, was dann gar nicht in der Statistik auftaucht. Werte weit unter 90 Prozent lieferte zuletzt auch die S4 West Pasing-Geltendorf. Dort lag die von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft ermittelte sogenannte Halbjahrespünktlichkeit Januar bis Juni 2024 bei 90,3 Prozent. Im Oktober waren es indes nur 83,9 Prozent, wie die BEG auf Anfrage mitteilt.
Seit Jahren kämpft die S-Bahn wie weiland Don Quijote gegen die schlechte Pünktlichkeit an. Früher hieß das Programm „Sekunden finden“. Doch es verpuffte ohne spürbare Effekte. Zuletzt wurde das Flexfahren eingeführt – S-Bahnen haben auf der Stammstrecke keine minutengenauen Abfahrzeiten mehr, was es den Fahrdienstleitern ermöglicht, mal eine S4 vor der S3 fahren zu lassen. Ein Uhrensymbol auf den Anzeigern symbolisiert dies. Doch auch das brachte nicht die Wende.
Zum Fahrplanwechsel soll nun etwas Neues ausprobiert werden. Die S7 aus Wolfratshausen wird nicht mehr durch den Stammstreckentunnel fahren, sondern sie endet schon am Starnberger Flügelbahnhof. Richtung Osten bis Kreuzstraße fährt nun eine neue S5-S-Bahn-Linie. Dafür nimmt man Nachteile in Kauf: Für bestimmte S4-Züge, die bisher am Hbf endeten, ist jetzt kein Platz mehr, sie werden ab Pasing Richtung Höllriegelskreuth umgelenkt.
Der Nachteil ist absehbar: Das Gros der Fahrgäste wird in Pasing aussteigen und die nächste S-Bahn Richtung Innenstadt nehmen – da verlängern sich die Zustiegszeiten und die S-Bahn wird proppenvoll. Und in Störfällen im Tunnel ist der Starnberger Flügelbahnhof kein Ausweichbahnhof mehr, befürchtet Pro Bahn – da ja die S7 die Gleise belegt.
Aber natürlich wird auch gebaut. „Langsamfahrstellen und Infrastrukturstörungen im Netz“ müssten reduziert werden, sagt der Bahnsprecher. „Bis 2027 will die DB dadurch die Resilienz des Netzes bundesweit verbessern“ – ob das auch bei der S-Bahn gelingt, bleibt allerdings abzuwarten.
DIRK WALTER