Weihnachten in Kinderbüchern. © Olschewski
München – In Jugend- und Kinderbüchern, die in der Adventszeit spielen, herrscht oft Chaos: Petterson bricht sich beim Tannenbaumholen ein Bein, die gefürchteten Kinder der Familie Herdmann übernehmen alle Rollen im Krippenspiel oder der Überraschungsgast Gisela fährt mit dem Skateboard unter dem Weihnachtsbaum herum. Aber Kinderbücher waren nicht immer witzig, sagt der Erlanger Professor für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur, Hartmut Hombrecher. Im 18. und 19. Jahrhundert „entwickelt sich der romantische Kindheitsmythos, das Kind ist nicht mehr nur ein unvollständiger Mensch, sondern eine aufgehende Knospe“. In der Darstellung von Weihnachten blicken die Autoren auf die Umgebung des Kindes und seine Kernfamilie, stellt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) fest.
In den Geschichten der weihnachtlichen Kinderliteratur gab es vor 200 Jahren noch keine Probleme, erklärt Hombrecher. „Harmonie, Häuslichkeit, auch Zucht, aber auch Geschenke wurden dargestellt.“ Erstmals um 1900 herum ziehe in Kinderbücher auch eine leise Kritik am Überfluss oder am übermäßigen Essen ein. Bei Paula Dehmel (1862 – 1918) finde sich in einem ihrer Kindergedichte eine Stelle, in der die Arbeit thematisiert wird, die der Mutter die Vorbereitungen auf das Fest mache. In mancher Geschichte taucht auch das „hilfsbedürftige Mütterlein“ auf, das mit der Großfamilie feiern darf, denn „alleinstehende Personen sind im Regelfall arm“, sagt der Professor.
In der Zeit des Nationalsozialismus werde versucht, „NS-Ideen mit dem Christentum, das Weihnachtsfest mit nationalsozialistischen Elementen zu verbinden“, erklärt Hombrecher. Von der germanischen Sonnwendfeier ist aber weniger in erzählender Literatur als in Gedichten zu lesen, „die im Wald- und Wintersetting spielen“.
Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommen Kinderbücher, „welche die Erziehung der 1968er widerspiegeln“, auf den Markt. Es erscheinen komische und unterhaltsame Bücher mit vielen Slapstick-Elementen. Interkulturelle Flüchtlingsfamilien oder die unkonventionell lebenden Herdmanns ziehen in die Geschichten ein, die Kernfamilie „Mutter-Vater-Kind“ ist laut Hombrecher nur noch ein Randsegment der Erzählungen. „Ein Buch, das die Tendenz hat, Harmonie herzustellen, fällt mir da nicht ein.“
Eine neue Perspektive auf Weihnachten zeigen viele moderne Kinder- und Jugendbücher. „Mein 24. Dezember“ von Achim Bröger sei eines der bekanntesten Bücher, das aus der Sicht des jungen Hundes Flocki einen „seltsamen Tag“ schildert. Aus dem Amerikanischen stammt der Bestseller „Die kleine Weihnachtseule“ – die Geschichte der Eule Rockefeller, die zufällig in einer Tanne nach New York reist, die dort als Weihnachtsbaum aufgestellt wird.
EPD