Lars Bubnick vom Fleischerverband Bayern.
Búi Ánh Nguyet aus Vietnam (Mitte) macht ihre Ausbildung bei Werner Braun. Rechts eine angehende Metzgerin.
Bald ist Schluss beim Lohhofer Metzger: Angelika und Karl Reichlmayr. Sie machen ihren Betrieb zum 1. Februar 2025 zu. © Gerald Förtsch
München – Als Karl Reichlmayr junior, 64, das Aus seiner Metzgerei in Lohhof (Kreis München) verkündet hat, haben seine Kunden geweint. Er hat die Metzgerei von seinem Vater übernommen, seit sechs Jahrzehnten gibt es sie schon. Aber: „Irgendwann ist Schicht im Schacht.“ Schuld ist in dem Fall auch die Bürokratie: Die beiden Sanitärräume, die ab zehn Angestellten vorgeschrieben sind, liegen am Gang zwischen Laden und Produktion. Das ist der Lebensmittelkontrolle ein Dorn im Auge. Ein Umbau lohnt sich für Reichlmayr nicht mehr, zumal er auch mit Personalmangel kämpft.
Seine Geschichte ist ein Beispiel von vielen: Immer mehr Metzger in Bayern machen zu. Zum 1. August schloss die Metzgerei Haller in Neubiberg (Kreis München) – nach 70 Jahren. Metzger Josef Haller (65) fand keinen Nachfolger. Von zehn Kollegen, die er anfragte, sagten alle: Ich habe kein Personal. Und ohne ein paar 70-jährige Aushilfen im Verkauf hätte Haller es wohl nicht so lange durchgehalten. Auch jüngere Metzger werfen das Handtuch: Zum Jahresende schließt Max Klaus seine Metzgerei in Unterdarching (Kreis Miesbach). Der 46-Jährige hatte den Betrieb 2020 von seinen Eltern übernommen. Jetzt stand er vor der Frage: investieren oder Reißleine. Er und seine Frau entschieden sich für die Schließung. In den Monaten zuvor hatte er von 13 Mitarbeitern vier verloren. Ersatz? Schwierig.
Die Probleme sind überall ähnlich, das weiß auch Lars Bubnick, Geschäftsführer des Fleischerverbands Bayern. „Besonders im Verkauf drückt der Schuh“, sagt er zum Personalmangel. In seinem Verband sind die meisten Metzgerbetriebe vertreten, daher geben seine Mitgliederzahlen einen guten Überblick: Vor 13 Jahren waren es 2200 Betriebe. Jetzt sind es noch 1200. „Da sind wir als Branche gefragt“, sagt er. „Wir werden uns verändern müssen.“ Lösungen gibt es. Etwa geänderte Öffnungszeiten: „Viele machen am Montagnachmittag zu oder einen ganzen Tag.“ Oder sie suchen sich andere Vertriebswege. Sein Verband verspricht sich viel vom neuen Bayerischen Ladenschlussgesetz, das das Kabinett kürzlich verabschiedet hat: Kleinstsupermärkte, die digital und ohne Personal betrieben werden, dürfen künftig 24 Stunden und auch an Sonn- und Feiertagen öffnen. „Das wird zur Versorgung der ländlichen Regionen beitragen“, meint Bubnick.
Metzger Andreas Gaßner aus dem Münchner Schlachthofviertel geht diesen Weg schon. Den Traditionsbetrieb gibt es seit 1937, im Sommer eröffnete Gaßner am Viehhof einen 24-Stunden-Shop. Wer ihn betreten will, muss an der Tür auf seinem Smartphone einen QR-Code scannen. Solche Konzepte gibt es auch auf dem Land, etwa in Hebertshausen im Kreis Dachau: Seit dem Frühjahr bietet der Freisinger Metzger Steffen Schütze den Smartstore Metzgerei „Hack24“.
Bubnick hält auch viel vom deutsch-vietnamesischen Ausbildungsprogramm, das die Innung 2024 startete. „220 Azubis sind schon da“, sagt Bubnick. „Das läuft sehr gut.“ Die Abbruchquote liege unter sieben Prozent. Bei Werner Braun, Metzgermeister, Wirt und Chef von 45 Angestellten in Wiedenzhausen (Kreis Dachau), macht seit knapp vier Monaten Búi Ánh Nguyet aus Vietnam eine Ausbildung zur Metzgereifachverkäuferin. Die 21-Jährige hat nach einer Prüfung die Sprachniveaustufe B1 erreicht, sie sagt: „Die Leute, die Kollegen, die Chefin und der Chef sind zufrieden mit mir.“ Im ersten Lehrjahr verdient sie 1200 Euro, 1300 im zweiten, 1400 im dritten. Werner Braun hofft, dass sie danach bei ihm bleibt.
Es gibt auch Traditionsmetzger ohne Zukunftssorgen. Im Oktober feierte die Metzgerei Gerold in Oberammergau ihr 150-jähriges Bestehen. Metzger Christian Gerold, 58, will unbedingt weitermachen. Aber sein Betrieb muss sich an das Essverhalten von heute anpassen. „Es gibt fast kein Catering mehr, wo kein Vegetarier dabei ist.“
In Lohhof wird die Metzgerei Reichlmayr vielen fehlen. Aber immerhin gibt es eine Nachfolgelösung. Sebastian Stadler aus Garching (Kreis München) wird den Betrieb übernehmen. Seine Würste wird Stadler aber nicht mehr selbst produzieren.
CARINA ZIMNIOK