Teures Parken: Katharina Wagner und Johann Kistler stellten im Werksviertel ihr Auto ab. Sie sollen 595 Euro Abschleppkosten zahlen. © Fotos: Panthermedia, Götzfried (2)
München – Für Katharina Wagner und Johann Kistler hat die heilige Zeit mit heiligem Zorn angefangen. Sie haben im Advent im Werksviertel ihr Auto auf einem gebührenpflichtigen Privatparkplatz abgestellt, um das Musical „Merry Christmas“ im Theater 7 anzuschauen. Als sie nach drei Stunden zurückkehrten, war ihr Auto weg. Wie jetzt auch 595 Euro im Geldbeutel – so viel kostete der Abschleppdienst!
Katharina Wagner betont, im Dunkeln keine Hinweis-Schilder gesehen zu haben. An den beiden Einfahrten der Kiesfläche nahe dem Riesenrad waren allerdings welche aufgestellt, als wir zwei Tage später tagsüber die Probe aufs Exempel machten. Wagner selbst ist überzeugt: Diese Schilder seien noch nicht dort gewesen. So oder so sagt die Münchnerin: „Es gab keinen Grund fürs Abschleppen. Mein Auto hat niemanden belästigt oder gestört.“ Sie spricht von „reiner Willkür“. Und: „Der Betrag ist extrem unverhältnismäßig!“ Für Rentner mit Enkelkindern seien die 600 Euro „nicht leicht zu verkraften, und noch dazu vor Weihnachten“. Die Nummer des Abschleppdienstes erhielt sie von der Polizei in Bogenhausen. Abgeholt werden musste das Auto in Aschheim: „Auch der nächste Weg.“
Der Abschleppdienst reagiert unwirsch auf unsere Nachfrage. Einer der Chefs bezeichnet seine Firma als „ein Lamm“ der Branche, manche Unternehmen seien noch viel teurer. Er verweist auf die hohen Kosten fürs Equipment (ein Wagen koste 100000 Euro) und Personal. Er und sein Team würden beleidigt, bespuckt, mit Messern attackiert und mehr.
Die Rechnung im Einzelnen (siehe Ausschnitt rechts): Für den Arbeitseinsatz berappt Wagner 260 Euro plus 100 Euro für eine Zusatzkraft. Obendrauf kommen 50 Euro Nachtdienst. Rad- und Rangierroller kosten insgesamt 75 Euro, plus 15 Euro Standgebühren. Der Abschleppdienst sagt: „Wir könnten auch 10000 Euro verlangen, letztendlich entscheidet das Gericht.“
Wenn das Geschäftsmodell dieser Firma so aussehe, so der Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen (VBA), dann bitteschön. Allerdings gebe es eine offizielle Empfehlung des VBA, die auch im Internet steht. Unter „Abschleppwagen bis 3,50 t zGM“ beträgt der Durchschnitts-Verrechnungspreis demnach pro Stunde 204,25 Euro, maximal 250 Euro.
Auf städtischem Grund wäre das Paar günstiger davongekommen. Für den vom KVR georderten Abschleppdienst gibt es zwei Sätze: montags bis freitags von 6 bis 16 Uhr 213 Euro, nach 16 Uhr 229 Euro. Letzterer Satz gilt auch für Wochenenden und Feiertage. Der Zuschlag für die begangene Ordnungswidrigkeit beträgt je nach Grad der Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer zwischen 55 und 70 Euro. Die Stadt lässt auf öffentlichem Grund ohnehin nur abschleppen, wenn man unbefugt auf Schwerbehinderten-Parkplätzen, an Feuerwehr-Anfahrtszonen oder Fußgängerzonen steht.
PS: Der ADAC berichtete im November 2023 von einem Fall vor Gericht. Ein Abschlepp-Unternehmen hatte 635 Euro von einer Falschparkerin auf einem Privatparkplatz gefordert. Begründet wurde das mit einer 2,5-stündigen Einsatzdauer, dem Zuschlag für den Einsatz außerhalb der Öffnungszeiten, Zusatzkosten für den Einsatz eines Radrollers, Standgebühren für zwei Tage und Vorbereitungs-Maßnahmen. Urteil des Amtsgerichts: nix 635 Euro, sondern 344,75 Euro insgesamt.
Ist das ein Trost für Wagner? Auf jeden Fall will sie warnen, „damit nicht noch mehr Autofahrer darauf reinfallen“.
MATTHIAS BIEBER