Rotkehlchen versteckt sich zwischen Blättern.
Ein Bergfink sitzt auf einem Zweig.
Eine Blaumeise im Englischen Garten.
Auch sie ist gerne mit dem Fernglas unterwegs: Isabell Rohde ist Leiterin für Vogelkunde in der LBV-Kreisgruppe München. © Marcus Schlaf (4)
München – Isabel Rohde legt ihr Fernglas an und grinst. Sie lag richtig! Tatsächlich hüpft da ein Bergfink von Ast zu Ast. Stolz zeigt der Vogel seine orange Brust, als wäre der Englische Garten in München allein sein Revier. Derweil ist der Bergfink hier nur Wintergast. Eigentlich ist er in den lichten Birken- und Nadelwäldern in Skandinavien daheim. So schön die Berge in Bayern auch wären, macht der Bergfink selbst im Winterquartier seinem Namen keine Ehre. Hier bevorzugt er Äcker und Gärten – mit gut gefüllten Futterstellen.
So ein Schlaraffenland hat der Bergfink heute am Rumfordschlössl gleich hinter dem Chinesischen Turm entdeckt. Ein Glück für Rohde, die sich hier an der Futterstelle des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV) zum Beobachten auf die Lauer gelegt hat. Schon länger hatte sie hier keinen Bergfinken mehr entdecken können. In der einen Hand hält sie ihr Fernglas und in der anderen ihr Handy. Im Zweifel will sie Arten, die sie nicht sofort erkennt, gleich mit Bildern abgleichen. Eigentlich sitzt die 28-Jährige in diesem Gebiet fest im Sattel. Die Biologin ist Leiterin für Vogelkunde in der Kreisgruppe München.
Jetzt huscht ein Kleiber zur Futterstelle. Der Kletterkünstler schafft es, sein Getreidekorn zu mampfen, während er kopfüber einen Baumstamm hinunter stakst. Wieder Glück gehabt. Rohde zählt sich schon mal warm für die große Zählaktion des LBV von 10. bis 12. Januar. „Bei unserer Stunde der Wintervögel kann wirklich jeder mitmachen, im Park, im Wald und vom Wohnzimmerfenster aus“, sagt Rohde. „Gute Plätze sind oft auch Hecken oder Grünstreifen mit viel Gestrüpp – da können die Vögel raushuschen, Kerne aufpicken und dort danach wieder geschützt fressen.“ Eine wichtige Regel aber gibt es bei der Stunde der Wintervögel: Beobachtet wird pro Zählbogen nur eine Stunde – und darauf darf auch immer nur die höchste Zahl an beobachteten Vögeln unter der jeweiligen Art notiert werden.
Bei den Blau- und Kohlmeisen hat man an der Futterstelle am Rumfordschlössl in der Tat Mühe, den Überblick nicht zu verlieren. Die Zahl 6 könnte Rohde heute auf dem Bogen bei den Blaumeisen vermerken. „Das ist nicht ungewöhnlich. Kohl- und Blaumeisen sind oft als Schar unterwegs, Grünfinken kommen gerne als Paar und Spechte zum Beispiel eher allein.“
Ein Rotkehlchen raschelt über das Laub unterhalb der Futterstelle. Gesichtchen und Brust leuchten in Rot. Diesen Vogel erkennt auch, wer sonst nicht so versiert ist. Einige Exemplare könnte man sogar mit geschlossenen Augen identifizieren. „Viele Arten machen signifikante Töne“, sagt Rohde. Den Namen Zilpzalp hat man vielleicht noch nie gehört – und doch wüsste man sofort Bescheid. „Denn dieser Vogel ruft seinen Namen.“
Die Stunde der Wintervögel von LBV und NABU findet heuer schon zum 20. Mal statt. Dass so viele Menschen zur gleichen Zeit einen großen geografischen Raum beobachten, hilft den Tierschützern über mehrere Jahre hinweg Muster zu erkennen. Etwa, dass der Seidenschwanz alle sieben Jahre kommt – oder die Mönchsgrasmücke in milden Wintern lieber hierbleibt. „Man darf nicht vergessen, dass es für die Tiere ein enormer Energieaufwand ist, in den Süden zu ziehen“, sagt Rohde. „Ist der Winter also mild, wird der eingespart. Und milde Winter kommen inzwischen ja häufiger vor.“ Fällt der Winter im Baltikum und Sibirien hart aus, schlägt der Seidenschwanz sein Winterquartier wieder im milderen Bayern auf. Neben dem Exoten hofft Rohde aber auch auf viele Sichtungen von Haus- und Feldsperlingen. Wegen der dichten Bebauung gehen immer mehr Brutplätze verloren. „Außerdem hoffe ich heuer auf mehr Waldvögel. Es war ein Mastjahr für die Bäume – also müsste es für Tannenmeisen oder Eichelhäher viel zu fressen geben.“ Also auf die Lauer, fertig, los!
CORNELIA SCHRAMM
Die Zählaktion
Der LBV München lädt zum Start der Stunde der Wintervögel am 10. Januar um 14 Uhr zum gemeinsamen Vogelzählen an die Musterfutterstelle beim Rumfordschlössl im Englischen Garten. Dauer: 2 Stunden. Treffpunkt: Haltestelle Chinesischer Turm. Anmeldung: 089/200 270 06.