KOLUMNE

Gute Vorsätze sind der Weg zur Hölle

von Redaktion

2025 – dieses Jahr ist so neu, dass man am liebsten genauso frisch daherkäme wie die gerade erst angebrochenen zwölf Monate. Also überflüssige Kilos loswerden. Das Chaos im Keller in eine übersichtliche Ordnung überführen oder sich künftig mit vernichtenden Kommentaren zurückhalten. Eine Fremdsprache erlernen. Sich mehr Zeit für sich selbst, für Partner und Familie nehmen. Schluss machen mit lästigen Eigenheiten und Verhaltensweisen.

Nur: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, sagt man. Warum? Mehr Sport zu treiben, sich weniger abzuhetzen, nicht immer gleich in die Luft zu gehen und anderen eigene Ansichten wie einen nassen Lappen um die Ohren zu hauen, Neues zu lernen, das sind sehr gute Absichten. Sie führen keineswegs in den Abgrund – eher hin zu der Person, die man gerne wäre: Fit, gelassen, voll Esprit, unterhaltsam, respektvoll. Es macht Freude, solch neue Seiten an sich zu entdecken.

Bloß: Manchmal nimmt man sich zu viel auf einmal vor. Alles soll sich ändern und zwar sofort? Das Leben wird tatsächlich zur Hölle, wenn man sich unter Erfolgszwang setzt und überfordert. Was man bislang, über Jahre hinweg, nicht hinbekommen hat, meistert man nicht einfach von jetzt auf gleich. Es hat schließlich auch ziemlich gebraucht, bis man sich all die Charakterzüge und Gewohnheiten zugelegt hat, die jetzt auf einen Schlag verschwinden sollen.

Das kann nicht funktionieren – und die Enttäuschung über sich selbst ist riesig. Wer sich dumm und unfähig vorkommt, sich selber für einen Schwächling oder eine Versagerin hält, ist bereits fortgeschritten auf dem breiten Weg zur Hölle. Wie sieht dagegen der schmale Weg zum Himmel aus? Vielleicht erst einmal nur ein Projekt ins Auge fassen und geduldig daran arbeiten. Die Chancen, dass man seine Vorhaben verwirklicht, sind damit einfach größer. Wer sich ändern möchte, braucht Zeit und Geduld mit sich selbst.

Es gibt einfach Grenzen, die einem gesetzt sind. Der evangelische Pfarrer Johann Caspar Lavater, der im 18. Jahrhundert in der Schweiz gelebt hat, sagte einmal sehr weise: „Siehe zuerst, was du bist und was du hast und was du kannst und weißt, ehe du bedenkst, was du nicht bist, nicht hast, nicht weißt und kannst“. Also – wer gute Vorsätze fasst, soll erst einmal auf all das schauen, was ihn oder sie auszeichnet. Das ist eine gute Basis, um sich mit Bedacht weiter zu entwickeln. So arg pressiert es ja auch wieder nicht.

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