Fall endlich entschieden: das Dekanat der LMU-Mediziner am Münchner Bavariaring. © Astrid Schmidhuber
München – Besenreiser können lästig sein – nicht nur bei Betroffenen, sondern auch in der Wissenschaft. Nach einer schier endlosen Prüfung hat die Medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München nun einer Zahnmedizinerin den Doktortitel aberkannt. Die Frau hatte von einer anderen Doktorarbeit abgeschrieben. Aufgedeckt hat den Fall die Plagiatsdokumentation VroniPlag.
Die Medizinerin hatte ihre Arbeit über die Therapie von Besenreisern bereits 2006 eingereicht. Dass die angehende Zahnärztin über ein nicht zahnmedizinisches Thema promovierte, klingt ungewöhnlich, ist es aber nicht. es geht ja nur darum, wissenschaftliches Arbeiten nachweisen zu können. Doch 2015 prüfte VroniPlag die Arbeit, und fand heraus, dass Frau Doktor sich aus einer Arbeit eines Mediziners bedient hatte. Dieser hatte ebenfalls über Besenreiser promoviert, allerdings an der Berliner Charité. Auf 75 Prozent der Seiten gab es Plagiatsfunde. Dennoch zog sich das von der LMU angeleitete Prüfungsverfahren schier endlos lange hin. Als unsere Zeitung im November 2023 nachhakte, wollte die LMU nur bestätigen, „das es zwei nahezu identische Dissertationen gibt, von denen eine an der Medizinischen Fakultät der LMU entstanden ist“. Die Prüfung sei kompliziert. Am 24. April 2024 entschied der Fakultätsrat der Mediziner dann, den Doktorgrad abzuerkennen. Dies wurde erst am 19. September 2024 durch einen Eintrag auf der Plattform „Elektronische Hochschulschriften“ publik gemacht. Es ist das erste Mal, dass die LMU nach einer Intervention von VroniPlag einen Doktorgrad aberkannt hat, sagt der Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer. Auch er hält die lange Dauer des Verfahrens – neun Jahre – für seltsam. Für künftige Fälle haben die Mediziner immerhin vorgebeugt: Alle medizinischen Promotionen werden nun einer Plagiatsüberprüfung unterzogen.
Die Berliner Wissenschaftlerin Prof. Debora Weber-Wulff, die sich bei VroniPlag engagiert und mit anderen Forschern den Plagiatsfall aufgedeckt hatte, wundert sich: „Es ist mir unbegreiflich, warum eine Universität so lange braucht, um einen so klaren Fall zu entscheiden.“
Die Uni habe erste Hinweise durch VroniPlag lange Zeit einfach ignoriert. Möglicherweise liegt das auch daran, dass die beim Abschreiben erwischte Medizinerin keine Prominente ist. In einem Beitrag für die „FAZ“ hatte Weber-Wulff nach Untersuchung von nicht weniger als 70 Plagiatsfällen sogenannter „No-Names“, also Nicht-Prominenter, schon 2021 festgestellt, dass die Prüfung durch die Unis „gefühlt wesentlich langsamer“ als bei prominenten Schummlern wie beispielsweise Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder Ex-Bundesministerin Franziska Giffey (SPD) erfolgt.
Die Medizinerin arbeitet außerhalb Bayerns als Zahnärztin. Ihren Doktorgrad auf der Homepage der Praxis hatte sie im vergangenen Jahr stillschweigend entfernt.
DIRK WALTER