Das Leben im Pflegeheim wird teurer. © Symbolbild: imago
Mühldorf – Für Maria Weigl (Name geändert) und ihre Familie ging das Jahr mit einer schlechten Nachricht zu Ende. Weigls Schwiegervater lebt seit anderthalb Jahren im Caritas-Seniorenheim St. Kunigund in Haag im Kreis Mühldorf. Er hat die Pflegestufe 3. Der Eigenanteil ist bereits vor einem Jahr um rund 700 Euro erhöht worden. Begründet hat das Heim das mit der Inflation. Die Weigls zahlten seitdem 3100 Euro, dazu kamen die 1227 Euro, die die Pflegekasse übernimmt. Vor ein paar Wochen wurde ihnen – genau wie vielen anderen Heimbewohnern – erneut eine Preiserhöhung angekündigt. Diesmal sind es gut 900 Euro. Begründung ist wieder die Inflation. Der Beitrag der Pflegeversicherung hingegen hat sich um lediglich 57 Euro erhöht. „1600 Euro in kürzester Zeit? Das kann sich doch niemand mehr leisten“, sagt Weigl fassungslos. Zumal die Inflation nun ja wieder gesunken sei.
Weigl berichtet, sie habe gehört, dass mittlerweile der Großteil der Bewohner den Eigenanteil nicht mehr zahlen könne. Die genaue Zahl kann die Heimleiterin Manuela Hausner-Strohmaier nicht bestätigen, sie sagt aber: „Es sind viele und es werden von Jahr zu Jahr mehr, die staatliche Hilfen brauchen.“ Das belegen auch Zahlen des Bezirks Oberbayern. 2022 erhielten noch 13 812 Menschen Hilfe zur stationären Pflege vom Bezirk, insgesamt waren es damals 136,3 Millionen Euro. Diese Zahlen steigen deutlich von Jahr zu Jahr. 2023 beantragen 14 185 Menschen in Oberbayern Hilfen, der Bezirk zahlte 164,8 Millionen Euro. Und im vergangenen Jahr waren es 15 280 Menschen und 189,7 Millionen Euro. Diese Zahlen werden nach den Prognosen 2025 nochmal getoppt. Der Bezirk Oberbayern rechnet mit 15 600 Menschen die Unterstützung brauchen, um den Eigenanteil zu finanzieren. Die Kosten dafür werden sich voraussichtlich auf 211,9 Millionen Euro belaufen. Die Sozialhilfe wird erst gewährt, wenn das eigene Vermögen bis zu einer Freigrenze aufgebraucht ist.
Bei Maria Weigls Schwiegervater ist das noch nicht der Fall. „Er hat sein ganzes Leben lang gespart, um für alles gewappnet zu sein, was im Alter kommen könnte“, erzählt sie. Nun gehen seine Ersparnisse für die Heimkosten drauf. „Eigentlich hatte er immer gehofft, dass er seinen Enkeln etwas Geld vererben könnte“, sagt Weigl. Aber sie geht davon aus, dass die Pflege im Heim auch in den kommenden Jahren eher teurer als günstiger wird. Der Anteil, den die Pflegekasse übernimmt, steigt zwar von Jahr zu Jahr, könne das aber nicht ansatzweise abfangen.
Die AOK hat veröffentlicht, wie sich die Pflegeplatzkosten in Bayern entwickelt haben. Sie sind seit 2023 von 4247 Euro auf 4698 Euro gestiegen – und der Eigenanteil von 2181 auf 2373. Das ist ein Anstieg von 8,8 Prozent. Der durchschnittliche Zuschlag, um den Eigenanteil zu begrenzen, stieg von 618 Euro auf 877 Euro.
Hinter den Kostensteigerungen steht nicht nur die Inflation, erklärt Doris Schneider, Geschäftsleiterin der Caritas-Altenheime in Oberbayern. „Auch die Tarife der Pflegekräfte sind gestiegen“, berichtet sie. Viele Heime würden besonders bei guten Fachkräften noch etwas drauflegen, um sie zu halten. Denn in vielen Häusern seien Pflegeplätze unbesetzt, weil Personal fehlt. „Wirtschaftlich arbeiten können Heime nur bei einer Auslastung von mindestens 96 Prozent“, erklärt Schneider. Auch sie beobachtet, dass der Anteil der Sozialhilfe-Empfänger in den Heimen immer größer wird, geschätzt liege er bereits bei mehr als einem Drittel. Direkte Angehörige müssen ein Jahreseinkommen über 100 000 Euro haben, damit sie herangezogen werden können. Sonst springt der Staat ein. „Wenn sich das System nicht ändert, werden die Kosten immer weiter steigen“, sagt Schneider. Würden die Sozialversicherungsbeiträge steigen, würden die Pflegekassen mehr zuzahlen.
Die Heimleitung in St. Kunigund hat einen Info-Abend für die Angehörigen organisiert, um Fragen zu beantworten. „Natürlich ist die Freude nie groß“, sagt Schneider. „Viele Angehörige haben aber auch Verständnis. Sie sind froh, überhaupt einen guten Heimplatz gefunden zu haben.“