Neues Team für die Tegernseer Hütte: Andreas Hauber (l.) und Sebastian Bailey. © Privat
Das Rotwandhaus im Mangfallgebirge braucht ab Juni einen neuen Hüttenwirt. © Moritz Wolf/ imago
Spitzing – Hüttenwirt ist ein Traum- und Knochenjob. Die Sehnsucht nach einsamen Stunden in den Bergen hat ihren Preis. An schönen Tagen ist die Hütte brechend voll, bei schlechter Witterung klingelt die Kasse nicht. Die Wirtsleute müssen jeden Tag mit viel Idealismus anpacken. Die Alpenvereine suchen aktuell für zehn Hütten neue Pächter – darunter für echte Besuchermagneten wie das Rotwandhaus im Mangfallgebirge.
Oberhalb des Spitzingsees war Peter Weihrer über 20 Jahre lang Wirt. „Er kennt sieben Generationen an Vorständen“, sagt Anselm Greulich, Schatzmeister der zuständigen DAV-Sektion Turner-Alpen-Kränzchen. „Wir gehen nicht im Streit auseinander, Herr Weihrer will nochmal ein anderes Hüttenprojekt angehen.“ Die vergangene Saison war für den Tiroler herausfordernd. Im Mai verursachten Rotaviren im Wasser bei über 100 Gästen Magen-Darm-Beschwerden. Die Hütte blieb wochenlang zu, Getränke durften nur in Flaschen verkauft werden. Inzwischen ist eine neue Wasseraufbereitungsauflage verbaut.
Jetzt hat die Sektion einen Unternehmensberater beauftragt, bis Juni neue Pächter zu finden. Idealerweise ein Paar oder Team. Georg Oberloher, selbst 30 Jahre Hüttenwirt am Großglockner, soll es richten – wie vor drei Jahren mit der Gruttenhütte am Wilden Kaiser. „Wir suchen jemanden mit nachweisbarer Erfahrung im Gastronomiebereich und hoher fachlicher Kompetenz. Die Zahl der Tagesgäste nimmt auf dem Rotwandhaus zu“, sagt Greulich. Jedes Jahr zählt es zudem 8000 Übernachtungen. Der Wirt muss laut Ausschreibung auch den Winterbetrieb samt Pistenraupe stemmen und fit im Beurteilen der Lawinensituation sein.
„Schon im Tal bereiten Personalmangel und die gestiegenen Kosten Gastronomen Probleme“, sagt Greulich. „Klar treffen diese die auf den Bergen doppelt hart.“ Denn hoch droben kostet vor allem die Logistik Kraft. Waren und Personal müssen Hütten erreichen. Seilbahnen stehen nicht jedem Wirt zur Verfügung. Er muss aber ein echter Tausendsassa sein. Gastfreundlich – und technikaffin. Immerhin sind Hütten wie das Rotwandhaus durch PV- und Wasseranlage völlig autark. Die Belastungen am Berg waren schon immer hoch. Inzwischen macht sich auch der Klimawandel bemerkbar.
Wegen Wasserknappheit musste die Neue Prager Hütte in Osttirol im August die dritte Saison in Folge verfrüht den Betrieb einstellen. Im Herbst wurde auch für sie ein neuer Pächter gesucht. Auch die Sektion Rosenheim ist für ihre Hochrieshütte fündig geworden: Monika Becht, seit 15 Jahren Hüttenwirtin im Chiemgau, hat sie Mitte Dezember übernommen. Für das Brauneck-Gipfelhaus und das geschlossene Taubensteinhaus sucht der DAV „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ nach Wirten.
Das Hütten-Roulette scheint sich schneller zu drehen. Die Wirte, die jetzt quittieren, haben teils Jahrzehnte auf ihrer Hütte verbracht. Michl Ludwig (63) etwa hat 31 Bergsommer mit seiner Frau Sylvia auf der Tegernseer Hütte gewerkelt. Jetzt übernehmen zwei Mitarbeiter das bekannte Adlernest zwischen Roß- und Buchstein: Andreas Hauber (44) und Sebastian Bailey (32). Ein Glückfall für die Sektion Tegernsee – das Team weiß, worauf es sich einlässt. Zweimal die Woche ins Tal laufen, Einkaufen fahren, Essen und Getränke nach oben transportieren – die letzten 400 Höhenmeter per Seilbahn.
Dass Hüttenwirte den Betrieb einfach an ihre Kinder übergeben, wird immer seltener. Und wo nicht mehr die ganze Familie mithilft, sind Wirte weniger flexibel. Auf der DAV-Homepage werden also Allrounder, Köche, Küchenhelfer, Theken- und Servicekräfte gesucht – die Liste an Inseraten ist lang. Die Tegernseer Hütte braucht genauso Unterstützung wie das Watzmannhaus.
Trotzdem: Bislang musste noch keine DAV-Hütte längerfristig geschlossen bleiben. Vielleicht sorgt dafür jenes letzte Fünkchen Bergromantik. So wie am Pürschling, dem Hausberg der Unterammergauer. Ende Oktober hatte der Wirt das August-Schuster-Haus nach 16 Jahren verlassen. Damit es jetzt im Winter zumindest von Freitag bis Sonntag geöffnet hat, stehen die zwei Freunde Johannes Hammerl und Stefan Kehl aus der Sektion Bergland vorübergehend selbst ihren Mann – bis im Mai die neue Pächterin übernimmt.
CORNELIA SCHRAMM