Wiederverwertbare Altkleider werden sortiert. Das BRK gibt sie in Kleiderläden und -kammern aus. © Picture Alliance (2)
Falsch entsorgt: Nasse, kaputte oder verdreckte Kleidung darf nicht in den Container. Trotzdem landet sie oft dort.
München – Ein nasses oder verdrecktes T-Shirt kann einen ganzen Container voller gut erhaltener Altkleider in eine große Ladung Müll verwandeln. Und das passiert in Bayern tagtäglich. Und seit Kurzem noch häufiger. Schuld daran ist eine neue EU-Richtlinie, die seit Januar gilt. Sie soll das Textilrecycling in Europa ankurbeln und gut erhaltene Kleidung vor der Müllverbrennung bewahren. Deshalb dürfen Textilien seit Jahresanfang nicht mehr im Restmüll landen. Für Deutschland hat diese neue Richtlinie allerdings keine Folgen. Denn sie greift nur in Ländern, in denen die Altkleider-Recycling-Quote unter 20 Prozent liegt. In Deutschland werden mehr als 60 Prozent der Textilien wiederverwertet. Und trotzdem hat die Richtlinie hohe Wellen geschlagen.
In den meisten bayerischen Landkreisen übernehmen gemeinnützige Organisationen die Altkleidersammlungen. Zum Beispiel das Rote Kreuz. Es betreibt bayernweit 4200 Altkleidercontainer. Jährlich werden rund 14 700 Tonnen Textilien gesammelt, berichtet Sprecher Sohrab Taheri-Sohi. Etwa die Hälfte davon wird in den 115 BRK-Kleiderläden als Second-Hand-Ware verkauft oder in den 26 Kleiderkammern kostenlos an Bedürftige ausgegeben. Unter den Altkleidern sind aber immer auch viele kaputte Kleidungsstücke. Sie verkauft das BRK zu einem festgelegten Kilopreis an Textilverarbeitungsbetriebe. Dort wird die Kleidung verarbeitet. Daraus entstehen zum Beispiel Putzlappen oder die Teppiche, die Malerbetriebe verwenden. Wenn die Kleidungsstücke aber so stark verschmutzt oder durch Nässe verschimmelt sind, dass die Reinigung teuer wird, lohnt sich das Recycling nicht mehr. Dann müssen sie verbrannt werden. Das ist die schlechteste Variante – nicht nur, was die Nachhaltigkeit betrifft. Sondern auch finanziell. Auf den Entsorgungskosten bleiben die Organisationen meist sitzen, nur wenige Kommunen ermöglichen für einen Teil der Textilien ein Freikontingent bei der Verbrennung. Den Rest müssen die Organisationen selbst bezahlen. Deshalb tragen alle ein Risiko, beim Altkleidersammeln draufzuzahlen.
Und das hatte bereits vor der neuen Richtlinie Folgen. „Einige Kreisverbände haben mit dem Sammeln bereits aufgehört und die Container abgebaut“, berichtet der BRK-Sprecher. Denn in den Containern landeten schon vorher immer mehr Kleidungsstücke, die kaputt, verdreckt oder nass waren und entsorgt werden mussten. Gleichzeitig haben in den vergangenen Jahren immer mehr Textilverarbeitungsbetriebe aufgegeben, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten konnten. Die Folge: Immer mehr Altkleider mussten verbrannt werden. Und das BRK fürchtet, dass es nun noch mehr werden. „Die Richtlinie hat für viel Verunsicherung gesorgt“, sagt Taheri-Sohi. Das sei schon jetzt, nach knapp zwei Wochen, spürbar. Mehr kaputte Kleidung lande in den Containern, weil die Leute Angst vor den angekündigten Bußgeldern haben. „In Deutschland hat sich aber nichts geändert“, erklärt er. „Kaputte oder verdreckte Kleidungsstücke gehören weiterhin in den Restmüll. Nur intakte Kleidungsstücke dürfen im Altkleider-Container landen.“ Taheri-Sohi ist überzeugt, dass durch diese Verunsicherung die Müllquote steigen wird – und das künftig noch mehr Organisationen das Altkleidersammeln aufgeben werden, weil es zum Draufzahlgeschäft wird.
In München übernimmt die Stadt das Altkleidersammeln selbst. Auch der Abfallwirtschaftsbetrieb München geht davon aus, dass durch die neue EU-Richtlinie mehr minderwertige Textilien in den Sammelcontainern landen. „Die bestehenden Recyclingkapazitäten sind aber bereits ausgelastet“, erklärt eine Sprecherin. Auch sie appelliert, verschmutzte und zerschlissene Kleidung unbedingt weiterhin im Restmüll zu entsorgen. Der Anteil der Textilien im Müll lag in München vergangenes Jahr bei lediglich 3,7 Prozent.