Plagiats-Intrige gegen Professor

von Redaktion

Der Rechtsmediziner Professor Matthias Graw.

Ein Exemplar des gefälschten Buchs des Angeklagten.

Plagiats-Jäger Stefan Weber untersuchte das Dokument.

Angeklagt wegen Urkundenfälschung: Rainer Z. (Mitte) muss sich seit gestern vor Gericht verantworten. Zwei Anwälte vertreten ihn. © dpa/Imago/Sigi Jantz

München – „Er wollte ihn öffentlich als Plagiator hinstellen und die Aberkennung seines Doktortitels erwirken.“ So einfach und so präzise klingt der Satz in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Doch hinter dem Vorwurf gegen den 72-jährigen Rainer Z. tut sich ein Kosmos auf, der jeden Krimi zum Kassenschlager machen könnte. Denn es geht in diesem Fall um ein mutmaßliches Verbrechen, das durchtriebener kaum sein könnte. Und um große Gefühle.

Rache ist das zentrale Motiv von Rainer Z. Der Chemiker soll nach dem Tod seiner Mutter nicht nur wütend auf die Behörden gewesen sein, als sie strafrechtlich gegen ihn ermittelten. Sondern auch auf den Leiter der Münchner Rechtsmedizin, Professor Matthias Graw, der den Leichnam auftragsgemäß untersucht hatte. Laut Anklage versuchte Rainer Z. seinen Ruf danach gezielt zu zerstören.

Er soll gemeinsam mit vier Komplizen ein 367 Seiten langes Fachbuch verfasst haben, das er auf 1982 datierte und im Internet anbot. Angeblich ein Kongressband, in englischer Sprache abgefasst und in einem DDR-Verlag publiziert. Darin positionierte Z. mutmaßlich Passagen aus Graws Doktorarbeit und behauptete dann, Graw hätte daraus abgeschrieben.

Doch damit nicht genug: Rainer Z. soll anschließend zwei professionelle Plagiats-Jäger auf den Fall angesetzt haben. Einer von ihnen war Stefan Weber. Die beiden Plagiats-Jäger untersuchten die Dokumente und machten ihre vermeintlichen Entdeckungen dann publik. In der Folge wurde Graw nicht nur in großen deutschen Medien mit den Plagiats-Vorwürfen in Verbindung gebracht, sondern musste auch die Untersuchung seiner Doktorarbeit aus dem Jahr 1987 an der Universität Hamburg aushalten. Dort befasste sich schließlich ein Expertengremium mit der Arbeit. Jedoch mit einem Ergebnis, das Graw entlastete.

Er kann mittlerweile wieder lächeln. Denn sein Ruf ist längst wiederhergestellt – und die bösen Gerüchte endlich verstummt. Doch die letzten Jahre waren nicht einfach für den Chef der Rechtsmedizin. Im Strafprozess gegen Rainer Z. tritt Matthias Graw jetzt als Nebenkläger auf. Der Chemiker muss sich am Amtsgericht wegen Urkundenfälschung, Verleumdung und Betrug verantworten. Dafür drohen Rainer Z. bis zu vier Jahre Haft.

Im abgetragenen Streifensakko sitzt der 72-Jährige gekrümmt auf der Anklagebank. Sein Körper wirkt müde, der Geist aber hellwach. Stetig macht sich der Angeklagte Notizen, ansonsten spricht er kein Wort – und überlässt die Bühne im Gerichtssaal lieber seinen Anwälten Mathias Grasel und Deniz Aydin. Beide stellen etliche Anträge gegen Gericht und Staatsanwaltschaft, immer wieder muss der Prozess unterbrochen werden. Bis schließlich doch ein Ermittler der Polizei zum Fall aussagen kann.

Seine wichtigste Erkenntnis: „Es gibt keine Zweifel an der Beteiligung des Angeklagten.“ Rainer Z. habe seinen Komplizen für Erstellung und Druck des gefälschten Fachbuchs mehrfach Geld überwiesen und konkrete Anweisungen für die Durchführung gegeben. Zwischen 2015 und 2020 sei die gefälschte Publikation entstanden. Hinweise darauf fanden sich vor allem in privaten Aufzeichnungen von Rainer Z. Gegen ihn sagt Matthias Graw am heutigen Freitag als Nebenkläger aus.

Für kommerzielle Plagiatsjäger sei der Fall „der Super-GAU“, sagt der Jurist und Plagiatsexperte Jochen Zenthöfer. „Wenn Betrugsaufklärer selbst dem Betrug auf den Leim gehen, ist die Zunft diskreditiert.“ Sein Vorschlag: „In Zukunft sollten Plagiatsanalysen wieder von Wissenschaftlern in Fachzeitschriften, auf der Plattform VroniPlag Wiki und durch Journalisten in Buchrezensionen erfolgen.“

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